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Heyne Galaxy 14

Heyne Galaxy 14

Titel: Heyne Galaxy 14
Autoren: Walter (Hrsg.) Ernsting
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Gewürzen, neuen Tauen und getrocknetem Fisch übermächtig werden. Es schloß sich ein freundlicher Hof voller umgestürzter Boote an. In einer Ecke stand ein großer Sonnenschirm mit einem Tisch und einigen Stühlen. Eine flache Treppe führte in ein Gewirr kleiner Straßen. Hier herrschte ein geheimnisvolles blaues Dämmerlicht, hervorgerufen von den gefärbten Glasdächern zwischen den Häusern. Sie kamen an einem Haus vorüber, dessen Fenster geöffnet waren, und hörten das Murmeln von Kinderstimmen. Vorsichtig blickten sie hinein. Es war die Volksschule. Hier saßen vierzig junge hell- und dunkelhäutige Bäcker, Chemiker, Mechaniker. Jedes Kind trug die Kleidung seines Klans in Miniaturausgabe. Sie sprachen gemeinsam einen Text, während der Lehrer neben der Tafel zuhörte. Kühles Licht drang durch die gefärbten Deckenfenster herein. Die kleinen Gesichter waren klar und unschuldig – ein winziger Koch mit zünftiger Schürze saß neben zwei kleinen Fuhrleuten in ihren hellblauen Gewändern, dahinter eine kleine Weberin in ihrem weißen Kleid. Die vertrauten Gesichtszüge waren noch kindlich gerundet, und die Elfenbeinhaut war noch unvorstellbar rein.
    »Schau – dort«, flüsterte Mary.
    »Sie sieht aus wie du«, sagte er. »Mehr wie du als die anderen. Du unterscheidest dich von den übrigen, und deshalb mag ich dich so.« Verwirrt blickte er auf sie herab. »Ich habe mich noch nie so gefühlt, wenn es um ein Mädchen ging. Was machst du mit mir?«
    Sie wandte sich zu ihm um und umarmte ihn. »Ich liebe dich«, sagte sie und lächelte zu ihm auf.
    Er küßte sie wild, hielt sie dann von sich und starrte sie fast furchtsam an. »Du mußt mir jetzt einmal richtig zuhören, Mary«, sagte er. »Wir müssen uns über etwas klarwerden.«
    »Ja?« fragte sie schwach und klammerte sich an ihn.
    »Ich werde morgen früh wieder in Porto sein«, sagte er.
    »Morgen!« sagte sie. »Aber ich dachte …«
    »Ich habe meine Aufgabe heute erfüllt. Ich brauchte nur einige sonische Geräte nachzustellen. Jetzt werdet ihr wieder gute Fänge haben … Es gibt hier sonst nichts für mich zu tun.«
    Sie war wie gelähmt. Sie traute ihren Ohren nicht. Es mußte doch wenigstens noch eine Nacht…
    »Kannst du nicht bleiben?« fragte sie.
    »Du weißt selbst, daß das nicht geht.« Seine Stimme war rauh. »Ich gehe, wohin man mich schickt, und gehorche, wenn man mich wieder ruft.«
    Sie versuchte die Zeit anzuhalten, doch die Stunden rannen ihr durch die Finger, und der Himmel färbte sich langsam dunkel. Die Sterne kamen heraus, und der kalte Nachtwind pfiff über das Meer.
    Unter ihr wurde das Boot zur Abfahrt vorbereitet. Oben am Hügel spielten einige Instrumente, und eine kleine Menschenmenge hatte sich versammelt, um den Fremden zu verabschieden. In der Abendstille klangen die lachenden und gutmütig scherzenden Stimmen doppelt laut.
    Klef, der im Schimmer der Lampen sehr bleich wirkte, kletterte die Stufen herauf und kam auf sie zu. Er hatte den Kopf auf die Seite gelegt und blickte sie prüfend an.
    »Ich werde nicht weinen«, sagte sie.
    Halb ungeduldig, halb zärtlich schlössen sich seine Hände um ihre Arme. »Mary, du weißt selbst, daß es nicht richtig ist. Du mußt es überwinden. Du mußt dir andere Männer suchen und glücklich werden.«
    »Ja, ich werde glücklich sein«, sagte sie.
    Er betrachtete sie unsicher, dann beugte er sich herab und küßte sie. Sie regte sich nicht in seinen Armen und erwiderte seinen Kuß nicht. Gleich darauf ließ er sie los und trat zurück. »Auf Wiedersehen, Mary.«
    »Auf Wiedersehen, Klef.«
    Er wandte sich um und ging hastig die Treppe hinab. Als er sich dem Boot näherte, umgaben ihn die lachenden Stimmen, und gleich darauf hörte sie, wie er in die fröhlichen Abschiedsrufe einstimmte.
    Als sie am nächsten Morgen erwachte, wußte sie sofort, daß er nicht mehr bei ihr war. Ein erschreckendes Gefühl der Leere ergriff von ihr Besitz, und mit pochendem Herzen richtete sie sich auf.
    Überall in dem großen Schlafraum, der schwach nach Zimtöl und frischem Leinen roch, begannen sich die Schwestern zu regen und aus ihren kleinen Abteilen zu kriechen. Gleich darauf setzte auch das vertraute Rauschen der Duschen am anderen Ende des Raumes ein. Die weißen Fenstervorhänge waren bereits zurückgezogen, und von ihrem Bett aus konnte Mary die Dächer des Ortes sehen, die sich zum Meer hin neigten. Die Luft war kühl und geheimnisvoll rein, und es war der schönste Augenblick des
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