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Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel

Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel

Titel: Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Haarbürste geben? Beides liegt auf der Kommode neben Ihnen.«
    »Aber sicher.«
    Kalter Schweiß perlte auf Elisabeth’ Stirn, als sie nach den Utensilien griff. Jeder Schritt in Richtung des Bettes bereitete ihr Mühe.
    »Halten Sie mir den Spiegel doch bitte einen Augenblick, bis ich mich gekämmt habe«, bat Priscylla. Es klang mehr wie ein Befehl als wie eine Bitte.
    Elisabeth kam nicht dagegen an. Widerwillig hielt sie dem Mädchen den Handspiegel hin. Priscylla griff nach ihrer Hand und drehte sie so, dass die Krankenschwester das Gesicht des Mädchens in der Glasfläche sehen konnte.
    Im gleichen Moment schrie sie gellend auf.
    Priscyllas makelloses Gesicht zeigte sich im Spiegel als die von Warzen und kraterartigen Pusteln übersäte Fratze einer uralten faltigen Greisin mit verfaulten Zähnen, die hinter vertrockneten, eingefallenen Lippen sichtbar wurden.
    Elisabeth Denworthy schrie, bis Priscylla den Schrei mit ihrer Hand erstickte und ihr mit einem einzigen harten Ruck das Genick brach.
     
    »Sie sind ein Engel«, lobte Howard, als Mary Winden in den Salon trat, wo er mit Rowlf saß. In den Händen hielt sie ein Silbertablett, auf dem eine Kanne mit dampfendem Kaffee stand.
    »Vorsicht, soviel Freundlichkeit könnte bei Ihnen zur schlechten Angewohnheit werden«, erwiderte sie bissig. Ihre Stimme klang müde; nicht die Art von Müdigkeit, die auf zu wenig Schlaf hindeutete, sondern eine Erschöpfung seelischer Natur. Sie stellte das Tablett ab und Howard sah, dass ihre Hände zitterten. Sie befand sich ebenso in Sorge um Robert wie er selbst, und das schon seit Wochen und Monaten. Diese Zeit hatte bei ihr Spuren hinterlassen, die über die tiefer gewordenen Falten in ihrem Gesicht hinausgingen. Sie war wortkarg geworden und kapselte sich in ihrer Trauer immer mehr von ihrer Umwelt ab.
    In den letzten Tagen war es besonders schlimm gewesen, sie hatte wohl nicht mehr zu hoffen gewagt, Robert nach so langer Zeit noch einmal lebend wiederzusehen. Sills Bericht hatte ihr immerhin ein wenig Hoffnung zurückgegeben. Auch wenn die Bemerkung nicht gerade freundlich war, erleichterte es Howard doch, dass sie überhaupt wieder so etwas wie einen Scherz über die Lippen brachte.
    »Wie geht es dem Mädchen?«, erkundigte er sich.
    »Sill?«
    »Natürlich, oder gibt es etwa noch mehr Mädchen im Haus?«, stieß Howard ungnädig hervor. Obwohl er fast den ganzen Tag durchgeschlafen hatte und erst vor kaum einer halben Stunde aufgewacht war, fühlte er sich immer noch erschöpft und ausgelaugt. Bevor er die erste Tasse Kaffee zum Frühstück getrunken hatte, war er prinzipiell nicht ansprechbar, daran änderte sich auch nichts, wenn dieses Frühstück um acht Uhr abends stattfand. Dazu kam seine Gereiztheit, aber er erkannte, dass er zu weit gegangen war. »Verzeihen Sie, Mary. Aber ich würde gern noch einmal mit Sill sprechen. Vielleicht fällt ihr doch noch etwas ein, das uns weiterhelfen kann.«
    Mary schüttelte den Kopf.
    »Muss das unbedingt sein? Sie schläft immer noch tief und fest. So erschöpft, wie sie war, ist es wohl das Beste für sie. Sie hat doch alles gesagt, was sie weiß, gönnen Sie ihr die paar Stunden Ruhe.«
    »Aber’s Leben von’em Klein’ könnt’ davon abhängn«, mischte sich Rowlf ein. »Für mich is dat alles ziemlich komisch, was se erzählt hat. Wenn se keine Frau wär, hätt ich se schon längs ma am Kragen gepackt un ordentlich durchgeschüttelt. Ma sehn, ob ihr dann nich doch noch wat einfällt.«
    »Lassen wir das«, sagte Howard und schenkte sich Kaffee ein. »Ich glaube nicht, dass Sill lügt. Aber ich werde nachher noch mal mit ihr sprechen. Sie ist die einzige, die uns vielleicht weiterhelfen kann, und wir müssen jeder Spur nachgehen.«
    Versonnen nippte er an seinem Kaffee und setzte die Tasse hastig ab, als er sich die Zunge an dem heißen Getränk verbrühte. Er nahm eines der Brötchen und schnitt es auf. Noch bevor er es mit Butter bestrich, zog er eine Zigarre aus der Tasche und zündete sie an. Er war so in Gedanken versunken, dass es ihm nicht einmal bewusst wurde. Marys bösen Blick ignorierte er.
    »Still«, zischte Rowlf plötzlich – überflüssigerweise, da ohnehin niemand sprach. Er legte die Hand ans Ohr, um besser hören zu können. Ein paar Sekunden lang lauschte er, dann sprang er abrupt auf.
    »Was ist los?«, fragte Howard. Er hatte nichts gehört, aber Rowlf gehörte nicht zu den Leuten, die sich auf solche Art in Szene setzten, wenn er nicht
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