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Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel

Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel

Titel: Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Mauerkante und ließ mich langsam herab, bis mein ganzes Gewicht an den Fingerspitzen hing. Dann ließ ich mich fallen. Der Aufprall riss mir die Beine unter dem Körper weg. Ich rollte mich ab und kam wieder auf die Füße. Wenige Sekunden später folgte mir Shadow. Keuchend lehnte ich mich gegen die Mauer. Die eisige Luft stach in meiner Lunge; wie eine weiße Fahne hing der Atem vor meinem Mund.
    Ich blickte mich um.
    Das Sanatorium erschien mir wie ein schlafendes, finsteres Ungeheuer, das jeden Augenblick aufwachen und über uns herfallen konnte. Als ich Pri hergebracht hatte, war mir die ganze Anlage mit dem weitläufigen Park, den gepflegten Buschgruppen und alten Bäumen ziemlich anheimelnd vorgekommen. Nun war von diesem Eindruck nichts mehr übrig geblieben.
    Das eigentliche Gebäude zeichnete sich nur als dunkler Klotz gegen den Himmel ab. Fast alle Fenster waren dunkel, lediglich im ersten Stock brannte hinter einigen Licht. Sie kamen mir vor wie gierig funkelnde Raubtieraugen.
    Wie hatte ich Pri nur jemals hierherbringen können?, fragte ich mich zum mindestens tausendsten Male. Wieder einmal hatte ich mich von Howard breitschlagen lassen. Er hatte mich davon überzeugt, dass es das Beste für sie wäre, bis sie völlig geheilt wäre. Hier würde man ihr die beste ärztliche Hilfe angedeihen lassen und sie wäre ständig unter Aufsicht, was natürlich ebenfalls nur ihrem eigenen Wohl diente.
    Howard zufolge.
    Ich hatte mir längst meine eigene Meinung zu der Sache gebildet. Er traute Pri nicht, glaubte nicht, dass ihr Geist die Verbindung mit dem NECRONOMICON unbeschadet überstanden hatte, und hielt sie für eine Gefahr. Das einzige Argument, das mich überzeugt hatte, Priscyllas Unterbringung in dem Sanatorium zuzustimmen, war meine häufige Abwesenheit von London. Ich konnte mich nicht in dem Maße um sie kümmern, wie es notwendig gewesen wäre, und wenn ich schon nicht selbst da war, wusste ich sie lieber in der Obhut der Ärzte als unter Howards Fittichen. Seine Abneigung gegen sie war schon fast krankhaft und er war von dem missionarischen Drang besessen mich vor der Gefahr zu schützen, die sie angeblich für mich darstellte. Diesmal aber würde ich sie mit nach Hause nehmen, egal wie sehr er sich dagegen sträubte.
    »Komm schon«, riss mich Shadows Stimme aus meinen Gedanken.
    Ich nickte verwirrt und folgte ihr. Ich musste aufpassen, dass ich mich durch Pris Nähe und die Vorfreude auf unser Wiedersehen nicht von Gefühlen ablenken ließ. Wir waren schließlich nicht ihretwegen hier und jeder Moment der Unachtsamkeit konnte gefährlich werden.
    Der Rasen unter meinen Füßen war noch vom Regen der vergangenen Nacht aufgeweicht. Bei jedem Schritt sank ich bis fast zu den Knöcheln ein und musste höllisch aufpassen, um auf dem glitschigen, unter Nebelschwaden verborgenen Morast nicht auszurutschen.
    Vorsichtig näherten wir uns dem Haus. Es war totenstill; nichts deutete darauf hin, dass man unser Eindringen bemerkt hatte. Gerade das aber machte mich misstrauisch. Es hätte zumindest einen oder mehrere Nachtwächter geben müssen. Wenn man so leicht wie wir auf das Gelände kam, so könnte auch jeder der Patienten es ebenso leicht verlassen. Das aber musste verhindert werden. Auch wenn jeder der Ärzte mir für eine solche Bemerkung wohl am liebsten die Krätze an den Hals wünschen würde, handelte es sich um nichts anderes als eine Klapsmühle. Die Preise lagen zwar so hoch, dass es sich nur wohlhabende Bürger leisten konnten ihre Verwandten hier unterzubringen, aber es blieb eine Klinik, die sich auf die Behandlung von Geisteskrankheiten spezialisiert hatte, und einige der Patienten stellten eine Gefahr für die Allgemeinheit dar.
    Das ungute Gefühl in meiner Magengegend verstärkte sich, je näher wir dem Haus kamen. Alles ging für meinen Geschmack zu einfach. Das Gelände musste bewacht werden, alles andere war unvorstellbar. Wenn man uns nicht längst aufgehalten hatte, konnte das nur bedeuten, dass man wollte, dass wir weitergingen.
    Möglicherweise in eine tödliche Falle.
    Ich überlegte, ob ich Shadow von meinen Befürchtungen erzählen sollte, unterließ es dann aber und schaute mich nur noch einmal unbehaglich um. Die El-o-hym wusste besser, was uns erwartete, und sie würde auch jede Gefahr eher wahrnehmen als ich.
    Eine weit geschwungene, sich nach unten verbreiternde Treppe führte zum Hauptportal des Sanatoriums empor. Sie wurde von zwei wuchtigen Marmorstatuen flankiert;
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