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Hexer-Edition 15: Der Koloss von New York

Hexer-Edition 15: Der Koloss von New York

Titel: Hexer-Edition 15: Der Koloss von New York
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Mittag sein.
    »Wo zum Teufel bin ich überhaupt?«, murmelte ich.
    Bill lächelte, wurde aber sofort wieder ernst. »Diese Frage hast du schon dreimal gestellt«, sagte er. »Und ich habe sie schon dreimal beantwortet.« Ein leiser, aber deutlicher Unterton von Sorge schwang in seinen Worten. Er sah mich durchdringend an.
    »Dann beantworte sie ein viertes Mal«, sagte ich matt. Ich versuchte mich weiter aufzusetzen und die Beine vom Bett zu schwingen – aber wie gesagt: Ich versuchte es nur. Da war etwas, das genauso war wie in meinem Traum. Meine Muskeln schienen sich in Pudding verwandelt zu haben; allerdings einen, der mit Zement angerührt worden war.
    Cody nickte. »Du bist seit zwei Tagen hier«, sagte er besorgt. »Keine Erinnerung?«
    Ich verneinte.
    »Eigentlich ist das kein Wunder«, fuhr Cody, mehr zu sich selbst als zu mir gewandt, fort. »Nach allem, was Recht ist, dürftest du gar nicht mehr leben. Sitting Bull hat mir erzählt, was passiert ist, und –«
    »Sitting Bull?«, unterbrach ich ihn. »Er ist hier?«
    »Hier?« Cody lachte leise. »Ohne ihn wärst du mausetot, Robert. Ich weiß nicht, was er gemacht hat – aber als du hierher gekommen bist, hattest du den gewaltigsten Sonnenstich, den ich jemals gesehen habe. Eigentlich …« Er seufzte, brach mitten im Wort ab und sah mich auf sehr sonderbare Weise an. »Du erinnerst dich nicht?«
    »Nein«, sagte ich übellaunig. »Das heißt – doch. Aber ich weiß nicht genau, was nun wirklich passiert ist und was ich geträumt habe. Wie kommt ihr überhaupt hierher?«
    »Nun, wir sind bis zum Rand der Wüste geritten und haben dort auf euch gewartet, genau, wie es … Shadow verlangt hat.« Das unmerkliche Stocken in seinen Worten, bevor er den Namen der El-o-hym aussprach, fiel mir auf. Aber ich tat so, als hätte ich nichts bemerkt. Es gab Momente, da war es einfach leichter, die Augen vor der Wahrheit zu verschließen. Manchmal konnte man die Wirklichkeit einfach verleugnen. Wenn auch nicht für lange.
    »Und?«, fragte ich, als Bill nicht von sich aus weitersprach.
    »Ixmals Leute und wir haben wechselweise Wache gehalten«, fuhr Cody mit einem Achselzucken fort. »Einer von seinen Indianern entdeckte Sitting Bull, Priscylla und dich vor zwei Tagen, ein paar Meilen von hier. Und mehr tot als lebendig.« Er seufzte, ließ sich auf dem Rand meiner Pritsche nieder und sah mir einen Moment lang sehr ernst in die Augen. »Du warst mehr tot als lebendig, Junge«, fuhr er fort. »Sitting Bull erzählte, dass du das Mädchen die ganze Strecke getragen hast. Mehr als dreißig Meilen.«
    »Das ist unmöglich«, widersprach ich lahm.
    Cody nickte. »Ich weiß. Und trotzdem hast du es getan. Du musst sie wirklich verdammt lieben.« Er lächelte, aber irgendwie wirkte es nicht sehr echt. So, wie seine Stimme jenen sonderbar befangenen Ton angenommen hatte, der verriet, dass ihm dieses Thema irgendwie unangenehm war, kaum dass er Priscylla das erste Mal erwähnt hatte.
    Eine entsetzliche Angst stieg in mir auf.
    »Was ist mir Priscylla?«, fragte ich. »Ist sie …«
    »Sie lebt«, unterbrach mich Cody hastig. »Keine Angst. Annie hat sich um sie gekümmert. Es geht ihr gut. Körperlich wenigstens«, fügte er rasch hinzu.
    »Wo ist sie?«, fragte ich. »Ich muss zu ihr!«
    »Du musst überhaupt nichts«, widersprach Bill streng. »Alles, was du musst, ist dich auszuruhen, und das für die nächsten Tage. Und -«
    Ich hörte gar nicht mehr hin, sondern stemmte mich, seine Schulter als Stütze missbrauchend, in die Höhe, blieb einen Moment schwankend stehen und ging mit unsicheren Schritten auf den Zeltausgang zu. Cody fluchte, sprang wütend in die Höhe und machte Anstalten, mir den Weg zu vertreten. Aber dann tat er es doch nicht, sondern presste nur ärgerlich die Lippen aufeinander und stapfte vor mir aus dem Zelt.
    Licht und Hitze trafen mich wie ein Hieb, als ich ins Freie trat. Das kleine Lager schmiegte sich in den Windschatten eines gewaltigen, von Erosion und Jahrtausenden glatt geschmirgelten Felsbrockens, aber die Sonne stand nahezu senkrecht über uns und nirgendwo war ein Luxus wie Schatten zu gewahren. Die Luft war so heiß, dass ich das Gefühl hatte, durch unsichtbaren klebrigen Sirup zu gehen, und in meinem Kopf machte sich fast sofort wieder ein starkes Schwindelgefühl bemerkbar.
    Cody deutete stumm auf ein kleines Zelt, das nur wenige Schritte entfernt stand, ein bisschen schräg und eng an die geborstene Flanke des Felsen gepresst,
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