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Hexennacht

Hexennacht

Titel: Hexennacht
Autoren: Michael Siefener
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und
müde zugleich zurück. »Wir wollten Lioba besuchen; wir
dachten, es ist eine gute Idee, und wir haben euch bei diesem
unsinnigen Ritual überrascht.«
    Lioba lachte schrill auf. »Das nennt man Selbstbetrug, mein
Lieber«, sagte sie und begann, mit der einen Hand den
Bierdeckel, auf dem ihr Weinglas stand, an den Ecken zu knicken. Mit
der anderen streifte sie die Asche ihres Zigarillos daran ab.
»Mich besuchen! Dass ich nicht lache. Wir waren es, die euch
durch den Spalt gezogen haben. Und Thomas hat sein Leben dafür
gegeben.«
    Magdalena hatte nicht einmal an ihrem Wein genippt. »Ich
verstehe immer noch nicht, dass wir länger als zwei Monate… dort gewesen sein sollen«, sagte sie wie im Traum.
»Es waren doch nur wenige Tage…«
    »Tatsache ist, dass wir das Ritual zwei Monate und vier Tage
nach Arved Winters Verschwinden vollführt haben«, meinte
Ulrich Schwarz mit leiser Stimme und faltete die Hände auf dem
Tisch. Seine Haut war weiß wie eine frisch gekalkte Wand, und
er schien noch dünner geworden zu sein. Der blond-graue
Haarkranz war zerzaust, als habe er einen Stromschlag erhalten.
»So lange hat es gedauert, bis wir das Zauberbuch der Ludwiga
Bohnum in unseren Besitz bringen konnten.« Er hielt inne.
»Ich bin sehr froh, dass wir es nach der Beschwörung
verbrannt haben.«
    »Du hast gesagt, dass einer der Teufelsanbeter wahnsinnig
geworden sei und in eine Anstalt eingeliefert wurde«, warf Arved
ein. »Und dass sich ein weiterer nach der Beschwörung, an
der ich teilgenommen habe, umgebracht hat. Was ist aus den anderen
geworden?«
    »Es ist besser für dich, wenn du es nicht
weißt«, antwortete Ulrich Schwarz und nahm einen Schluck
Wein. »Wenigstens waren sie nur allzu gern bereit, uns das Buch
zu überlassen. Wir mussten allerdings deinen neuen
Journalistenfreund Jochen, den Indianer, einschalten. Und dem
schulden wir noch eine Geschichte. Allerdings wird er nicht die ganze
Wahrheit erfahren.«
    »Ich habe nicht gewusst, dass du… dass du… so etwas
machen würdest…«, begann Arved und wusste nicht, wie
er es formulieren sollte.
    »Dass ich Beschwörungen durchführe und auch
Exorzismen? Das tue ich schon lange, allerdings nicht in Deutschland,
denn hierzulande ist der Exorzismus verboten«, half Ulrich ihm.
»In Italien habe ich in dieser Hinsicht viel gelernt – und
viel gesehen. Es hätte keinen Sinn, meine Erfahrungen
mitzuteilen; außerdem bin ich in den meisten Fällen
sowieso zu Stillschweigen verpflichtet.«
    »Du hast mir gesagt, dass du nicht an die Hölle
glaubst«, wunderte sich Arved.
    Ulrich lächelte müde. »Das ist nicht ganz richtig.
Ich habe gesagt, dass die Theologen nicht mehr an die Hölle
glauben. Ich selbst habe so viel gesehen, dass meine eigenen
Überzeugungen nicht mehr in allen Einzelheiten mit den Lehren
der Mutter Kirche übereinstimmen. Aber ich wollte dich damals
nicht beunruhigen.«
    »Du bist spitzfindig wie immer. Seit wann kennst du Lioba
eigentlich?«, fragte Arved. Der Vorname ging ihm glatt über
die Lippen; er freute sich daran. So viele Fragen, dachte er. Und auf
die wichtigsten gab es keine befriedigende Antwort.
    »Erst seit kurzem. Sie hat durch eine Schwester der
Borromäerinnen mit mir Kontakt aufgenommen. Schwester Bonarita
weiß von meinen exorzistischen Erfahrungen. Als Lioba sich ihr
anvertraut hat, schien es ihr das Beste, mich ins Spiel zu bringen
– als Fachmann und Praktiker sozusagen.« Ulrich verkrallte
die Hände ineinander, bis die Knöchel weiß
hervorstachen. Hinten in der Kneipe spielten drei Männer Skat.
Sie droschen die Karten auf den Tisch und brüllten dabei. Ulrich
verzog das Gesicht und beugte sich zu Arved hinüber. »Ich
hatte gehofft, dass du nach deiner fehlgeschlagenen Beschwörung
im Wald oberhalb von Eisenschmitt keine weiteren Versuche mehr machen
würdest, aber ich habe mich über deine Hartnäckigkeit
getäuscht. Daher musste ich dir einfach helfen.«
    »Helfen…«, meinte Arved. »Ich weiß
nicht…« Er rieb sich die Schläfen. Die Ereignisse der
vergangenen Zeit begannen sich zu verwirren und zu verwischen.
»Ich erinnere mich an das schreckliche Ritual in der Kirche von
Buchholz. Von da an…« Er schaute Lioba Hilfe suchend
an.
    Sie erwiderte seinen Blick und wagte ein zaghaftes, ermunterndes
Lächeln, während sie den Zigarillostummel
ausdrückte.
    Dies machte ihn ein wenig stärker und er fuhr fort: »Es
waren die Räucherungen. Ich bin mir sicher, dass diese
Räucherungen Halluzinationen bei mir
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