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Hexennacht

Hexennacht

Titel: Hexennacht
Autoren: Michael Siefener
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vertrauen?«, fragte er das Wesen.
    »Weil ihr mir einen Gefallen getan und die alte Vettel
dorthin befördert habt, wohin zu gehen sie sich bisher standhaft
weigerte.« Es kicherte auf. »Wir sind hier nicht alle so,
wie ihr glaubt. Habt Vertrauen. Springt. Aber beeilt euch, denn auch
dieses Haus wird bald zusammenbrechen.«
    Arved hatte schon vorhin gespürt, wie es schwankte. »Und
du?«
    »Was soll mir schon passieren?«, meinte das
Froschwesen.
    »Wer bist du?«, fragte Arved noch einmal.
    »Manche nennen mich Azrael – ein lächerlicher
Name«, sagte es lachend – und verschwand. Es löste
sich vor den Augen der drei auf, wurde zu Staub, dann zu Luft.
    Arved fühlte die Anziehung des Hauses über sich. Er ging
in die Hocke und drückte sich ab. Er flog. Flog geradewegs auf
das andere Haus zu. »Kommt!«, rief er den beiden zu, die er
tief unter sich stehen sah. Sie taten es ihm gleich. Das Haus am
Himmel schoss auf sie zu. Während des Fluges drehte es sich, das
Dach schmolz weg; das Haus wurde zu einer Röhre. Arved,
Magdalena und Jürgen flogen hinein. Fielen auf den Boden der
viereckigen Röhre. Standen wieder auf, gingen los. Schweigend.
Nebeneinander. Bis sie den hellen Punkt sahen.
    Plötzlich übernahm Jürgen die Führung. Der
Punkt kam rasch näher. Es war nicht das Grau, sondern ein sehr
helles, gleißendes, weißes Licht. Aber es schmerzte nicht
in den Augen. Es umschmeichelte sie.
    Als der Punkt zu der Größe einer Handfläche
angeschwollen war, blieb Jürgen plötzlich stehen. Er sah
Magdalena an und sagte: »Jetzt muss ich allein
weitergehen.«
    Magdalena sog scharf die Luft ein. »Nein. Du kommst mit
uns.«
    »Das kann ich nicht, und das weißt du auch. Aber was
ihr für mich getan habt, ist unendlich viel mehr, als ihr euch
vorstellen könnt.« Er lächelte seine Frau an.
»Ich warte auf dich.« Er gab ihr einen Kuss auf die Wange.
Arved schüttelte er die Hand und sagte: »Auch Ihnen danke
ich von ganzem Herzen. Gehen Sie Ihren Weg weiter. Er ist noch
weit.« Dann drehte er sich um und ging auf das Licht zu.
    Magdalena wollte ihm nachlaufen, doch Arved hielt sie zurück.
Es hatte den Anschein, als werde Jürgen Meisen immer kleiner;
das Licht indes veränderte sich nicht. Schließlich war
Jürgen Meisen nicht mehr als eine fingergroße Gestalt, die
sich schwarz von dem Leuchten abhob. Es schluckte ihn und
verglomm.
    Magdalena und Arved standen allein in grauem Zwielicht und hielten
sich aneinander fest. Sie schluchzte und weinte; Arved strich ihr
sanft über die Haare und die Schultern, bis er schließlich
sagte: »Unser Weg ist noch nicht zu Ende. Komm.«
    Sie machte sich von ihm los, schaute ihn mit verweinten Augen an
und nickte.
    Gemeinsam gingen sie weiter den Schacht entlang.

 
32. Kapitel
     
     
    Der Schacht endete vor einer niedrigen Tür, deren
altersdunkles Holz in dem schwachen Licht kaum von den Wänden zu
unterscheiden war. Arved suchte nach einer Klinke, fand sie rasch und
drückte sie. Die Tür schwang in einen schmalen, sehr langen
Raum auf, in dem nichts als eine Pritsche und ein Hocker standen.
Eine Kerze spendete Licht, das nach der langen Wanderung durch den
Schacht blendend hell wirkte. Gegenüber der Pritsche, weit
entfernt am anderen Ende des fensterlosen Raumes, stand eine Tür
halb offen, und von dort floss milchiges Neonlicht herein. Der
Heizungskeller. Arved und Magdalena sahen sich an. Sie waren
zurückgekehrt.
    Beim Anblick der leeren Pritsche, auf der Jürgen gelegen
hatte, brach sie wieder in Tränen aus. Arved legte den Arm um
sie und zog sie ganz dicht an sich. »Wir müssen jetzt
gehen. Es ist noch nicht vorbei«, sagte er leise. Etwas sog und
zog an seinem Innersten und machte ihn schrecklich unruhig.
    Unter der Pritsche regte sich etwas. Zwei schwarze Knäuel
schossen hervor und strichen Arved und Magdalena um die Beine. Lilith
und Salomé hatten gewartet. Nun aber schienen auch sie schnell
von hier verschwinden zu wollen. Sie liefen aus dem Keller, durch die
große Diele und zur Haustür.
    »Wohin wollen sie?«, fragte Magdalena matt, nachdem sie
hinter Arved aus dem Keller gestiegen war.
    »Ich weiß es nicht, aber ich glaube beinahe, sie
spüren dasselbe wie ich«, antwortete er und öffnete
die Haustür.
    Einen Moment lang hatte er gehofft, die Sonne würde sie
begrüßen, aber da war nur das Dunkel, das an den
Rändern seltsam auszufasern und von finsterem Grau erobert zu
werden schien. Es war noch lange nicht vorbei. Das Saugen und Ziehen
wurde
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