Hexenkuss

Silhouette auf dem Steg über ihnen zu erkennen. Der Dolch in seiner Hand reflektierte das Licht. Bei seinem Anblick jubelte und schauderte Holly zugleich. Er war prachtvoll, zornig und gefährlich.
    »Ich hatte gehofft, dass du dich uns anschließen würdest, Jeraud. Ich brauche wohl nicht eigens zu betonen, wie enttäuscht ich von dir bin«, rief Michael hinauf.
    »Ich glaube, du wirst feststellen, dass es klüger gewesen wäre, wenn ihr euch uns angeschlossen hättet.«
    Eddie, Kialish und Kari traten auf weiteren Stegen aus den Schatten hervor. Kari kletterte rasch zu Holly und ihren Cousinen hinab, während Eddie und Kialish sich die Hände reichten und gemeinsam begannen, einen Zauber zu sprechen. So leicht wie ein paar brennende Kerzen löschten sie die Feuer hinter Michael und Eli. Michaels Augen weiteten sich vor Überraschung.
    Holly konnte spüren, wie die Flammen überall im Gebäude erloschen. Sie versuchte, den Zauber mit ihrem eigenen Willen zu verstärken, obwohl ihr die Worte, die der Sohn des Schamanen und sein Liebhaber sprachen, fremd waren.
    Kari beugte sich kurz über Amanda und Nicole, und als sie sich wieder aufrichtete, kippte sie beinahe um. Holly fing sie auf und bemerkte, wie bleich sie war. Ehe sie Kari fragen konnte, ob ihr etwas fehlte, rappelten sich auch Nicole und Amanda hoch. Sie wirkten schwach, schafften es aber, sich auf den Beinen zu halten.
    »Ich habe ihnen etwas von meiner Energie gegeben«, erklärte Kari. »Wir brauchen sie.«
    Holly nickte knapp, und dann bildeten die vier Mädchen mit verschränkten Händen einen Kreis.
    Michael und Eli stimmten einen Zauberspruch an, den Holly aus ihrer Vision beinahe in Erinnerung hatte.
    Sie riefen das Schwarze Feuer.
    »Nein!«, schrie Holly.
    Nein, echote Jer.
    Er murmelte einen Schutzzauber und sprang von dem Steg in die Tiefe. Er spürte das Brausen eines entsetzlich schnellen Falls und dann den markerschütternden Aufprall, als er auf seinen Vater stürzte, der gemeinsam mit Eli die ruchlosen Worte sprach. Vater und Sohn gingen zu Boden, und Eli sprang beiseite. Jer war als Erster wieder auf den Beinen, erstaunlicherweise unverletzt.
    Er rammte die Faust in Michaels linke Wange. Der Hexer packte Jers Hand und verdrehte sie, während er mit dem rechten Bein ausholte, um Jer von den Füßen zu reißen. Dann erschuf er einen Feuerball in einer Hand und drückte ihn seinem Sohn direkt ins Gesicht.
    Der Schmerz war entsetzlich, doch Jer hob den Zauber sogleich mit einem anderen auf, den Dan ihn gelehrt hatte. Dann ging er zum Angriff über, stürzte sich auf Michael und riss ihn zu Boden. Er hörte seinen Bruder den Zauber für eine Feuerkugel sprechen und wusste, dass er binnen Sekunden tot sein würde...
    »Pack ihn!«, brüllte Eddie und stürmte auf Eli zu.
    Jer konzentrierte sich weiter ganz auf seinen Vater. Er hatte keine Ahnung, ob sein Bruder aus der Schwitzhütte - nun sein Gefolgsmann im Zirkel - es erfolgreich mit Eli aufnehmen konnte, aber er durfte es nicht riskieren, den Blick von seinem Vater abzuwenden.
    Als er sich auf Michael werfen wollte, erkannte er, dass der alte Hexer eine Barriere zwischen ihnen errichtet hatte. Ein sanfter grüner Schimmer trennte sie beide wie eine Wand. Jer griff sie mit beiden Fäusten an, indem er sie hoch über den Kopf hob und dann auf den schimmernden Nebel herabfahren ließ. Aber es war, als hätte er auf Plexiglas eingeschlagen. Als Nächstes versuchte Jer, die Wand mit einem Zauber zu brechen.
    Michael lächelte nur. Dann schloss er die Augen und setzte den Spruch fort, mit dem er das Schwarze Feuer beschwören wollte.
    »Nein!«, brüllte Jer. »Aufhören!«
    Ohne aus dem Takt zu geraten, lächelte Michael triumphierend.
    »Jer!«, schrie Holly.
    Das Schwarze Feuer explodierte mitten im Raum. Nachtschwarze Zungen grausamer Hitze und Zerstörung schossen aus der feuerflüssigen Mitte hervor. Die Beine der nahen Stege fingen Feuer, und ihr Holz verbrannte so augenblicklich wie Haar.
    Alle suchten hastig Deckung. Kari tauchte unter einen Tisch mit Erfrischungen für die Schauspieler und kippte ihn auf die Längsseite. Nicole schnappte sich Amanda, riss sie mit sich zu Boden, und die beiden drängten sich eng aneinander. Holly warf sich neben sie.
    Die drei nahmen einander bei den Händen.
    »Wir brauchen einen Zauber. Wir müssen uns dagegen wehren«, sagte Holly. »Sonst werden wir alle sterben.«
    Eli war dem Feuer zu nahe gekommen. Es bäumte sich hoch über seinen Kopf auf wie eine