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Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition)

Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Roswitha Hedrun
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die er letztendlich zu einer erstklassigen Qualität entwickelt hatte. Dann war sein Vater gestorben, und Georges älterer Bruder (Alphonses Vater) wurde der neue Marquis de Belleville. George selbst war wenig später mit seiner Gemahlin, seiner damals dreizehnjährigen Tochter Silke (Lukas' heutigen Mutter) und einem ansehnlichen Erbanteil nach Meran gezogen, da die Südtiroler Berge die besten Rohstoffe für seine speziellen Farbherstellungen bargen. Dort hatte er dann außerhalb der befestigten Stadt auf einem Hügel seine Fabrikation errichtet und sie, dem Tirolerischen angepasst, Bellwillwerk genannt. Mit nur zwölf Arbeitskräften, darunter auch Labormeister Rodder, hatte er begonnen.
Daraus war bald ein ertragreiches Unternehmen geworden mit heute rund zweihundert Arbeitskräften, denn Bellwillfarben waren wegen ihrer Hochwertigkeit inzwischen über die Grenzen Österreichs hinaus begehrt.
Leiter des Werkes war nun Meister Peter Rodder, ein zwar hervorragender Labormeister, jedoch miserabler Kaufmann, was dem Unternehmen nur zum Schaden gereichen konnte. Lukas schüttelte sich kurz, denn wie stets überrieselte ihn bei dem Gedanken an seinen Vater ein Schauer. Deshalb ermahnte er sich - Schluss jetzt mit der Vergangenheit! Du hast als Lukas de Belleville eine aussichtsreiche Zukunft vor dir, jawohl, du bist nun Lukas de Belleville, angehender Kunststudent.
Ihm wurde wieder leichter. Hier in Italien soll sein neuer Lebensabschnitt beginnen. Nicht in Mailand, ihr Reiseziel war Florenz. Dort, wo sich die anerkanntesten Kunstwerkstätten befanden, will Alphonse Lukas das zukommen lassen, was ihm selbst nicht vergönnt gewesen war, die höhere Kunstausbildung. Doch es war schwer, nahezu aussichtslos, an solch einer Ausbildungsstätte Einlass zu gewinnen. Stets, wenn Lukas daran dachte, demnächst einem Maestro zur Talentprüfung seine selbst gefertigten Gemälde und Tonfiguren vorführen zu müssen, krampfte sich seine Nabelgegend zusammen.

    "Meinen herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!", weckte Alphonse seinen Schützling, und kaum hatte der sich recht den Schlaf aus den Augen gerieben, zog Alphonse ihn mit sich in den Aufenthaltsraum.
Dort lag auf den Sesseln ausgebreitet ein grünseidener Adelsanzug mit Goldlitzen und breit ausgepolsterten Schultern, dazu ein weißes Seidenhemd, ein Paar vorne zugespitzte Brokatschuhe und als Kopfschmuck ein hellgrüner, elegant geschwungener Hut. Dieser Anblick machte Lukas vollends wach: "Oh, Alphonse - für mich?"
"Naturellement. Gefallen dir die Stücke?"
"Mei, oh mei, sind die pfundig!", geriet Lukas ins Tirolerische. Dann musste er schlucken, einen solch überraschungsreichen Geburtstag hatte er lange nicht mehr erlebt.
    Angetan mit dem grünseidenen Adelsanzug und dem flotten Hut auf dem Kopf, spazierte Lukas am Nachmittag mit Alphonse zum Mailänder Dom.
"Gibst ein prächtiges Bild ab", blinkerte Alphonse ihm zu, worauf der ihm seine Bedenken gestand:
"Wenn Vater mich so sähe, würde er mich laut brüllend zur nächsten Gendarmerie zerren."
Darauf verhielt Alphonse seinen Schritt, hielt auch Lukas zurück und redete dann mit eindringlicher Miene auf ihn ein: "Dein Vater ist nicht der Schlechteste, mon Cher, auch wenn er es dir schwer gemacht hat. Er versteht es eben nicht besser. Und fortan solltest du nicht ständig an ihn denken. Hier jedenfalls bist du sicher vor ihm, schließlich hast du in dem Abschiedsbrief an deine Eltern die Spur nach Südfrankreich gelegt."
"Hast ja recht."
Während sie wieder weiterspazierten, munterte Alphonse den seit heute Zwanzigjährigen auf: "Wirkst ausgesprochen männlich heute, und diese gekonnt hergerichteten Augenbrauen - markant! Naja", provozierte er ihn dann, "bis auf deine Knabenstimme."
"Dafür bin ich drei Querfinger größer als du, und das holst du nie ein", gab Lukas lachend zurück.
Abermals war es Alphonse gelungen, ihn aufzuheitern.
Wenig später näherten sie sich dem berühmten Dom.
Lukas war bekannt, dass dem Erbauer beim Entwerfen dieses gewaltigen Werkes ein heiliger Hain vor seinem geistigen Auge erschienen war, und plötzlich wurde auch in Lukas jene Vision lebendig. Jede der unzähligen Säulen drückte, gleich einem hochragenden Baum, ein Streben hinauf zum Himmel aus, erkannte er erfreut. Seit frühester Kindheit war seine Vorstellungskraft so ausgeprägt, dass Vergangenes und Verborgenes oft blitzartig in ihm lebendig wurde, eine Gabe, mit der er besonders in der Klosterschule häufig Erstaunen hervorgerufen
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