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Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition)

Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Roswitha Hedrun
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Mittelpunkt zu stehen.
Madame de Lousin nahm Lucia die weißen und violetten Blütenzweige ab, verteilte sie in zwei bereitstehende Bodenvasen, und Lucia blieb kaum Zeit, sich ihre Präsente zu betrachten, denn als Hausfrau musste sie die Anwesenden bald nebenan zur Frühstückstafel bitten, die heute ebenfalls reich mit Maiblumen dekoriert war.
Auch während des Frühstücks stand dann das Geburtstagskind im Mittelpunkt, trotz Meister Rodders Bemühungen, seiner Tochter die Situation zu erleichtern. Jeder hatte ihr etwas Nettes zu sagen, und auf alles musste sie freundlich eingehen, wobei sie als Hausfrau, eingedenk ihrer verstorbenen Maman, für Zurückhaltung am Tisch Sorge zu tragen hatte. Zwischendurch fragte ihr Vater sie dezent - oh doch, er konnte auch dezent sein -, ob sie nach dem Frühstück hier noch ein wenig mit ihm verweilen wolle, nur mit ihm alleine. Sie nickte ihm bejahend zu.
Nachdem schließlich alle anderen den Speisesaal verlassen hatten, nahmen Lucia und ihr Vater wieder ihre Plätze ein. Er rückte mit seinem Stuhl ein wenig näher zu Lucia hoch, wobei er, halb fragend, äußerte: "Hast doch nix dagegen, wenn wir zwei hier noch 'n bissel sitzen bleiben."
"Im Gegenteil."
"Sehr schön, weil ich dir nämlich einiges zu sagen hab."
Zunächst betonte er, Justus habe vorhin nicht übertrieben, jeder im Werk habe den heutigen Tag genutzt, um ihr endlich seine Anerkennung zu bekunden, und er berichtete ihr von Justus' Eifer gestern und heute bei den Vorbereitungen dazu. Solche Zuneigungsbeweise habe ihr Großvater nie erfahren. Das schmeichelte Lucia, versetzte sie aber gleichsam in Verlegenheit, weshalb ihr Vater auf seine damalige Überproduktion, verbunden mit seiner Uneinsichtigkeit, zu sprechen kam, was er nach ihrer Unterredung vergangenes Jahr als nicht mehr gutzumachenden Fehler erkannt habe. "Daran hab ich hart zu knabbern gehabt", gestand er, "besonders, weil mir Herr von Lasbeck das dann bei jeder Gelegenheit unter die Nas gerieben hat."
"Wie unfein von ihm."
"Ich hab's überlebt. Hauptsache, Produktion und Verkauf halten sich wieder die Waage. Und wie ich beobacht, läuft der Verkauf ausgezeichnet."
"Ja, Vater, besser als je zuvor."
Nur das, wusste Lucia, hatte er hören wollen.
Im Laufe des weiteren Gesprächs umsorgte Meister Rodder seine Tochter regelrecht, er ließ ihr ungebeten Minzentee nachservieren, zog die Vorhänge zu, damit die Sonne sie nicht blende und jetzt schob er ihr die Silberdose mit Konfiserien heran, hob den Deckel ab und forderte sie auf: "Greif zu, du magst die doch so gern."
Er begann, Lucia zu verwöhnen, wie ehedem seine verstorbene Silke. Dieser Zug an ihm war Lucia früher nie sonderlich aufgefallen, sie hatte ihn als selbstverständlich hingenommen. Heute wusste sie ihn zu schätzen, alleine, weil er ihr das Gefühl verlieh, hier war endlich jemand, an dessen Schulter sie, wenn nötig, ihren Kopf lehnen könnte. Diese Tatsache kam ihr vor wie eine Hinterlassenschaft, ein Geburtstagsgeschenk von ihrer Mutter. Als habe ihr Vater soeben ähnliche empfunden, erhob er sich jetzt mit der Erklärung, er habe sie lange genug davon abgehalten, sich endlich ausgiebig ihrem Gabentisch zu widmen.

    Vera teilte Lucias nur verhalten gezeigte Freude an den einzelnen Geschenken. Jetzt nahm Lucia ein weißes, mit Rüschen umrandetes Sonnenschirmchen in die Hand und lächelte zu Vera hin: "Das stammt bestimmt von Großmutter, sie hat mich mein Lebtag ermahnt, meine Haut besser zu schützen, um keine Sommersprossen zu bekommen."
"Ei mei, von solchen Ermahnungen kann auch ich ein Lied . ."
"Scht, bitte!", bat Lucia Vera nun mit angehobener Hand, denn sie hörte durch die stets aufstehende Tür des Aufenthaltsraumes Madame de Lousin einen Herrn ins Haus führen, dessen Stimme sie aufmerken ließ - konnte das sein? Offenkundig empfing Madame de Lousin in ihrem perfekt höflichen Stil einen fremden Besucher, und Lucia vernahm außerdem, dass Hausmeister Hoppe Gepäck in den Korridor trug. Die Schritte kamen näher, dann führte Madame de Lousin den Besucher zu ihnen hinein, worauf Lucia ihre Vermutung bestätigt sah: "Leonardo!"
"Grüß Gott, Donna de Belleville!", verneigte er sich vor ihr, und Lucia musste sich beherrschen, um ebenso angemessen zurück zu grüßen.
Um ihre vorhin entschlüpfte vertrauliche Anrede zu erklären, sagte sie ihm: "Bitte, nicht so förmlich, Leonardo, wir sind und bleiben doch per Du, ja?"
"Grazie, wie du wünschst. Aber vor allem: Herzlichen
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