Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hexengold

Hexengold

Titel: Hexengold
Autoren: Heidi Rehn
Vom Netzwerk:
erzählt hatte. Schon sprach Hedwig weiter. »Bis auf die letzte Maus und die dünnste Feder hat er alles ins Feuer geworfen. Die Steinackerin wollte nicht, dass etwas davon übrig bleibt, geschweige denn, dass Ihr davon esst.« Verbissen kniff sie die Lippen zusammen. Es war nicht zu übersehen, als welch üble Verschwendung sie das erachtete.
    »Warum?« Verständnislos schüttelte Magdalena den Kopf. Hatte Eric nicht erzählt, dass er nicht nur das Handelskontor, sondern den gesamten Hausstand, also sämtlichen Besitz bis zum letzten Löffel und zur allerletzten Erbse aus der Vorratskammer, von seinem Onkel geerbt hatte? Bei ihrer ersten Begegnung auf der Messe hatte Adelaide davon gesprochen, nicht das Geringste davon anzurühren, bis Eric und sie es übernahmen. »Wie kommt die Steinackerin dazu, das zu verfügen?«
    »Soweit ich weiß, war es noch nicht Euer Vieh. Die Steinackerin hat in den vergangenen Monaten alles getan, damit es dem alten Herrn, Eurem Oheim, in seinen letzten Stunden an nichts fehlt. Sie hielt es für ihre Pflicht, bis zuletzt auch für das Vieh zu sorgen. Weil aber keiner wusste, wie Ihr es damit haltet …« Sie hob die Arme und setzte ein verwirrtes Gesicht auf, bis sie schließlich die Hände wieder sinken ließ und kopfschüttelnd fragte: »Ach, was rede ich da? Ich weiß doch auch nicht, weshalb sie die letzten Kräutersäcke und Mineralien oben auf dem Dachboden gestern Abend noch eigenhändig ins Feuer geworfen hat. Kein Staubkorn aus dem Besitz Eures Oheims liegt noch irgendwo im Haus herum. Am besten fragt Ihr sie selbst, warum sie sogar das Kleinvieh hat fortschaffen lassen. Nachher werden sie und ihr Gemahl wohl kommen, um Euch ihre Aufwartung zu machen.«
    Hedwig winkte eine der Mägde herbei und erteilte ihr in barschem Ton Anweisungen, Gemüse zu putzen und das Herdfeuer in der Küche anzuschüren. Ohne ein weiteres Wort raffte sie den Rock und ging ebenfalls in die Küche. Wie sie dabei die breiten Hüften wiegte und die krummen Beine bewegte, sah Magdalena auf einmal Roswitha vor sich. Beschämt wischte sie sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Dass ihr früheres Leben sie in Frankfurt auf Schritt und Tritt einholte! Nie würde sie die alte Hebamme vergessen. Ein Großteil ihres Lebens hatte sie ihr wie ein Schutzengel zur Seite gestanden. Berta, die Bäuerin auf dem Hof nahe Rothenburg, bei der sie die letzten beiden Jahre verbracht hatte, war ihr ebenfalls ähnlich gewesen. Es war wohl ein Wink des Schicksals, dass solche Frauen immer wieder ihren Weg kreuzten.
    Magdalenas Gedanken wanderten zu Adelaide, der Steinackerin, wie die Köchin sie nannte. Ein wahrhaft dunkler Engel, der Erics Oheim in dessen Todesstunden gepflegt hatte. In jedem Winkel des Anwesens schien ihr Schatten gegenwärtig. Magdalena lachte auf. Eine seltsame Laune, ihnen jegliches Vieh aus den Ställen zu nehmen. Die neu gewonnene Base schien für Überraschungen gut. Langweilen würde sie sich in deren Nähe bestimmt nicht.
    »Magdalena, wo bleibst du?« Ungeduldig rief Eric aus einem offenen Fenster im ersten Stock des Wohnhauses. »Carlotta hat sich schon die schönsten Räume im Haus ausgesucht. Wenn du nicht bald kommst, bleibt dir nur der Hühnerstall als Unterschlupf.«
    »Bin schon da.« Auch wenn sie sich innerlich sträubte, blieb ihr nichts anderes übrig, als Mann und Kind zu folgen und das neue Heim mit ihnen gemeinsam in Besitz zu nehmen. So lange zu warten, bis der Donnerstag anbrach und die Aussichten für Neues besser standen, würden weder Eric noch Carlotta dulden.

3
    Adelaide fand es unangemessen, den Weg zu den Grohnerts zu Fuß zurückzulegen. Nicht einmal die laue Spätsommerstimmung konnte sie dazu ermuntern. Laut Kalender begann an diesem Tag der Herbst. Ein Grund mehr, sich wenn schon nicht mit der Kutsche, dann doch wenigstens mit einer Sänfte zum Antrittsbesuch bei Vinzents Vetter und neuem Teilhaber in die Fahrgasse bringen zu lassen. Gerade weil die Grohnerts an ihrer statt das schmucke Anwesen des Oheims in der Fahrgasse fortan ihr Eigen nannten, war es wichtig, dass Vinzent nie vergaß, was er sich und vor allem ihr als seiner Ehefrau schuldete: angesichts der an Eric abgetretenen Erbschaft nun erst recht das Gesicht zu wahren.
    Prüfend wiegte sie die Hüften vor dem mannshohen Spiegel im Wäschekabinett. Dabei zupfte sie die Enden des leichten Gazeumhangs zurecht. Wie bei den meisten ihrer Kleider gewährte der Ausschnitt einen großzügigen Einblick auf die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher