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Hexengold

Hexengold

Titel: Hexengold
Autoren: Heidi Rehn
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begriff sie. »Es gibt also einen gemeinsamen Oheim. Das heißt, ihr beide seid verwandt, seid also Vettern.«
    Betreten schwiegen die Männer und bestätigten die Feststellung nur mit einem leichten Nicken.
    Magdalena betrachtete Erics aus dem Nichts aufgetauchten Verwandten ausgiebig. Weder in seinem Antlitz noch in seiner Gestalt fand sich die geringste Ähnlichkeit. Die Erinnerung an einen anderen Vetter Erics erwachte in ihr. Der schwedische Hauptmann Christian Englund hatte sie mehrere Wochen in einem Würzburger Kloster gefangen gehalten. Abermals tastete sie nach dem Bernstein. Auch von Englunds Verwandtschaft mit ihrem geliebten Eric hatte sie damals unvermutet erfahren. Nur mit Glück war sie kurz zuvor dem grausamen Tod durch seine eigene Hand entronnen.
    Ihr Blick lag weiter auf Steinacker. Sein Lächeln wirkte steif. Zumindest schien ihr von diesem neuen Vetter keine körperliche Gewalt zu drohen. Dennoch verstärkte sich das anfängliche Unbehagen ihm gegenüber. Gutes, dessen war sie sich schließlich sicher, hielt er nicht für sie bereit.
    Indes ging ein Ruck durch Erics Körper. Ein Leuchten blitzte in seinen blauen Augen auf. Er nahm ihre Hand, führte sie zum Mund und küsste sie. »Das alles sollte eine Überraschung sein, Liebste. Gleich nachher wollte ich dir das Haus zeigen und dir bei dieser Gelegenheit von einem weiteren Zweig unserer großen, infolge des Krieges leider weit verstreuten Familie erzählen.«
    Laut atmete Steinacker aus und sah vorwurfsvoll zu seiner Frau. »Was hast du da nur wieder angestellt, Adelaide? Jetzt hast du unserem Eric die schöne Überraschung verdorben!« Er tätschelte seiner Gemahlin mit einem verschmitzten Lächeln die Wange. Die ließ es geschehen und verzog keine Miene, als sie trocken feststellte: »So, habe ich das? Das tut mir jetzt aber aufrichtig leid. Mir war gar nicht bewusst, dass ich meiner Base gegenüber unsere Verwandtschaft geheim halten muss. Dabei freue ich mich doch so sehr über den Familienzuwachs.«
    Sie raffte den Rock und knickste übertrieben unterwürfig erst vor ihrem Gatten und dann vor Eric. Magdalena dagegen zwinkerte sie ein weiteres Mal verschwörerisch zu: »Habe ich es dir nicht eben erst gesagt, meine Liebe? Unsere verehrten Herren denken sich immer etwas dabei, wenn sie uns nicht gleich über alles informieren. Wir sollten sie wohl einfach gewähren lassen. Es geschieht gewiss nur zu unserem Besten. Jetzt aber zählt vor allem eines: Wir beide gewinnen einander als Basen. Das lässt mein Herz vor Glück schier überschäumen! Noch dazu, wo ich weiß, dass ihr euch zudem über eine einträgliche Erbschaft freuen könnt.«
    Stürmisch umarmte sie sie. Magdalena erstarrte. Der Veilchenduft, der Adelaide umwehte, schien ihr einen Hauch zu aufdringlich. Ebenso empfand sie den Freudenausbruch als übertrieben. Zudem stieß ihr der Gedanke, wieder eine Base zu haben, bitter auf. Die Erfahrungen mit ihrer leiblichen Kusine Elsbeth waren nicht weniger durchwachsen gewesen als die mit Erics Vetter Englund. Zwar war seither viel Wasser den Main heruntergeflossen, dennoch suchten sie die Erlebnisse in so manchen Alpträumen weiterhin heim. Demzufolge schenkte sie Adelaide nur ein gezwungenes Lächeln. Das sonnige Frankfurt schien auf einmal von der Vergangenheit überschattet. Sie schwankte, ob sie sich bereits wieder stark genug fühlte, den Kampf aufzunehmen. Ihre Finger umklammerten den Bernstein und erflehten seinen Beistand. »Lass uns umkehren«, flüsterte sie Eric zu. »So schnell will ich unser neues Zuhause gar nicht kennenlernen.«

2
    Eric hatte nicht zu viel versprochen. Sobald Magdalena das Haus erblickte, vergaß sie ihre Bedenken. Stolz und mächtig, ohne jeden überflüssigen Zierat, schob es sich an der Ecke der Fahrgasse ins Blickfeld. Er lenkte den Wagen an den Straßenrand und hielt an. Seit der Herbstmesse waren etwas mehr als fünf Wochen vergangen. Zeit genug, die Nachricht von dem unerwarteten Erbe zu verdauen und sich mit der Zukunft als Kaufmannsfrau in Frankfurt auseinanderzusetzen.
    Neugierig betrachtete sie das Anwesen. Das Haus war aus Stein und hob sich so von den benachbarten Gebäuden ab, die lediglich ein ebenerdiges Steingeschoss und darüber die fragile Fachwerkkonstruktion vergangener Jahrhunderte aufwiesen. In gebührendem Abstand duckte sich das gedrungene Gebäude der Mehlwaage auf dem weitläufigen Vorplatz. Die Vorzüge der Lage lagen auf der Hand: Das neue Zuhause befand sich zwar mitten in
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