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Hexengift

Titel: Hexengift
Autoren: T.A. Pratt
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und wir nehmen die Kassetten x-mal her, weil wir uns nicht ständig neue leisten können; aber ich gehe sie jeden Tag nach Hinweisen durch, und die, die mir wichtig erscheinen, hebe ich auf. So wie dieses.« Sie drückte auf Play.
    Marla lehnte sich nach vorn. Grau und körnig ergoss sich Sonnenlicht durch das Fenster in der Südwand, die Genevieve heute Früh zu Staub zerblasen hatte. Sie lag schlafend auf dem schmalen Bett, die Hände neben dem Körper, dann war sie weg , wie bei einem Schnittfehler in einem billig produzierten Video. Marla brummte und sah auf den Zeitcode unten in der Ecke - es fehlte nichts, aus dem Band war nichts herausgeschnitten worden. Genevieve war ganz einfach verschwunden. »Ist sie …«, begann Marla, aber dann tauchte Genevieve plötzlich wieder auf, in Embryonalhaltung eingerollt. Mit ihr hatte sich eine Wolke aus kleinen Objekten materialisiert und schwebte wie Papierschnipsel zu Boden, oder vielmehr …
    »Sind das Blumen?«, fragte Marla.
    »Orangenblüten«, antwortete Husch.

    »Wie, hat sie sich etwa im Schlaf zu einem Orangenhain teleportiert?«
    »Das glaube ich kaum«, entgegnete Husch. »Das Band stammt vom letzten Januar. Wo in aller Welt blühen im Januar die Orangenbäume?«
    »So was gibt es mit Sicherheit«, entgegnete Marla, auch wenn sie wusste, dass sie sich da wohl ein wenig stur stellte.
    Husch schniefte. »Ich habe die Blütenblätter in luftdicht versiegelten Gläsern aufgehoben, aber nach ein paar Tagen waren sie verschwunden. Mit echten Blütenblättern würde das wohl kaum passieren, oder? Ich habe ein Dutzend solcher Videobänder. Manchmal materialisiert sie sich auf der anderen Seite des Raums wieder. Manchmal trägt sie andere Kleider, die dann nach einer Weile ebenfalls wieder verschwinden. Und einmal, Marla …« Husch kaute auf ihrer Unterlippe herum. »Einmal war sie blutverschmiert und hatte eine Stichwunde in ihrem Oberschenkel. Die ist nicht wieder verschwunden. Die Narbe hat sie immer noch.«
    »Hm«, meinte Marla. »Du sagtest, du hättest eine Theorie. Lass mal hören.«
    »Genevieve hat ganz offensichtlich Zugang zu anderen Orten, einer anderen Dimension oder einer anderen Existenzebene. Ich denke, als Elsie Jarrow sie weckte, hat sie sich parapsychologisch zur Wehr gesetzt, Elsie dabei bewusstlos geschlagen und gleichzeitig auch die Wand zerstört. Und dann ist Genevieve einfach … verschwunden, wohin auch immer. Irgendwann wird sie wieder auftauchen. Vielleicht hier, vielleicht woanders.« Sie breitete entschuldigend die Hände aus. »Ich habe nicht behauptet, es wäre eine sehr hilfreiche Theorie.«

    Marla nickte. Genevieve könnte jetzt … an vielen Orten sein. Es gab jede Menge Raumfalten in dieser Welt und mindestens genauso viele in sich abgeschlossene andere Welten. Manche davon fingen überhaupt erst an zu existieren, wenn man sie betrat. Was aber nicht bedeutete, dass sie unbewohnt waren.
    »Hast du ein Band von heute Morgen?«
    Husch schüttelte den Kopf. »Bei ihrem Ausbruch hat Elsie auch die Kameras zerstört. Ich schicke dir die Rechnung für eine neue Ausrüstung. Wäre es nicht ohnehin einmal an der Zeit, dass wir auf digital umstellen?«
    »Ich werde den Klingelbeutel rumgehen lassen«, sagte Marla seufzend. Die anderen Magier dazu zu bringen, Geld für das Blackwing Institute lockerzumachen, war eine zähe Angelegenheit. Zwar sahen alle die Notwendigkeit ein, aber keiner von ihnen wollte gerne daran erinnert werden, dass Magier manchmal durchdrehten. Sie würde es also versuchen, und falls die Kollegen nichts lockermachen sollten, musste sie eben in die eigene Tasche greifen. Es brachte viele Privilegien mit sich, Magieroberhaupt von Felport zu sein, und diese Privilegien wiederum brachten weit mehr Geld ein, als sie selbst benötigte. Marla hatte sogar schon daran gedacht, das Institut ganz aus eigener Tasche zu finanzieren, aber das wäre eindeutig das falsche Signal - die anderen Magier sollten verdammt nochmal auch ihren Teil beisteuern. Das war nur fair.
    »Glaubst du, du kannst Genevieve wieder zurückholen?«, fragte Husch. »Ich mache mir Sorgen um sie.«
    »Ich mache mir Sorgen um alles und jeden, solange sie frei herumläuft. Ich werde sehen, was ich tun kann, darauf
kannst du dich verlassen. Wir haben das Foto, und wir haben ihren Schal, und ich weiß über die Orangenbäume Bescheid … das ist zumindest schon mal eine Basis, mit der man arbeiten kann.« Marla legte eine Hand auf Huschs Arm und drehte ihn herum,
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