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Hexengewitter

Hexengewitter

Titel: Hexengewitter
Autoren: Horst Hoffmann
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Lacthy.
    Sie stieß Scida zurück, holte weit aus und schlug ins Leere. Blitzschnell brachte Scida beide Klingen in die Höhe und wirbelte ihr das Schwert aus der rechten Hand.
    »Ich brauche keine zwei Klingen für dich!« zischte Lacthy. »Und nun stirb!«
    Mit beiden Händen umklammerte sie das ihr verbliebene Schwert. Singend durchschnitt es die Luft und hätte Scida den Kopf vom Rumpf getrennt, wäre diese nicht ebenso schnell in die Knie gegangen und zur Seite gesprungen. Dann war sie über der Gegnerin, wartete, bis sie sich gefangen hatte, und begann damit, sie unbarmherzig vor sich her zu treiben. Lacthy kam nicht mehr dazu, mehr zu tun als nur Gegenwehr zu leisten. Ihr Atem ging schwer, und schwerer wurden alle ihre Bewegungen.
    Dann flog auch ihre zweite Klinge hoch durch die Luft. Lacthy starrte entsetzt auf ihre leeren Hände, sah Scida vor sich und sank kraftlos in die Knie.
    Sie war nicht mehr imstande, sich aufzurichten.
    »Du wirst mich nicht um Gnade winseln hören!« schrie sie heiser. »Stoß zu! Töte mich! Mach ein Ende!«
    »Und wie sie winselt!« sagte Gerrek.
    Kalisse schüttelte verständnislos den Kopf.
    »Warum zögert Scida noch? Lacthy ist besiegt. Sie muß ihr den Todesstoß versetzen!«
    Mythor aber lächelte plötzlich, denn er glaubte zu wissen, wie die Amazone handeln würde.
    Und Scida wuchs über sich hinaus. Mit beiden Schwertern stand sie vor der Todfeindin. Ihre Brust hob und senkte sich unter heftigen Atemzügen. Sie ließ die Arme sinken und machte einen Schritt zurück.
    »Ich will dein Leben nicht mehr, Lacthy«, sagte sie mit einer Ruhe in der Stimme, die nach allem, was sie in den letzten Tagen von sich gegeben hatte, unnatürlich wirkte. »Ich hätte nicht gezögert, einer Ebenbürtigen den Tod zu geben. Du aber verstehst nur zu kämpfen, wenn du dich überlegen weißt oder durch Hinterlist dafür gesorgt hast, daß die Arme der Gegnerin gelähmt sind! Steh auf und entscheide selbst, ob du mit der Schande leben oder dich selbst richten willst.«
    Lacthy hob den Kopf. Ihre Augen hatten jeden Glanz verloren. Ungläubig starrte sie Scida an, derweil die Amazonen ringsherum ihren Tod forderten.
    Scida schob ihr mit dem Fuß eines ihrer Schwerter zu.
    »Nimm es und geh!«
    »Du… Hündin!«
    Lacthy machte einen Satz nach der Klinge, riß sie an sich und sprang auf. Taumelnd stand sie der Todfeindin noch ein letztes Mal gegenüber, schien sich noch einmal auf sie stürzen zu wollen.
    Dann fuhr sie herum und lief aus der Halle. Kaum trugen die Beine sie noch. Mit der Waffe schaffte sie sich Platz, als ihr Kriegerinnen den Weg versperren wollten.
    »Laßt sie gehen!« rief Scida. »Es ist mein Wille!«
    Und sie gehorchten, befolgten den Befehl der Amazone, die sie kämpfen gesehen hatten wie kaum einmal eine andere zuvor.
    Niemand bewegte sich. Draußen verhallten Lacthys schlurfende Schritte. Für einige Augenblicke wieder herrschte vollkommene Stille.
    Dann hallte Lacthys Todesschrei schaurig von den Wänden aus Eis wider.
    Es war wie eine Erlösung für die Kriegerinnen. Sie stürmten auf Scida zu und feierten sie. Die Inselweiber hoben sie auf ihre Schultern und trugen sie zum Thron. Scida wollte von alledem nichts wissen. Sie wehrte sich jedoch vergeblich. Schließlich schien sie einzusehen, daß es das beste war, den Amazonen ihren Willen zu lassen.
    Mythor, Kalisse und Gerrek blieben abseits des stürmischen Geschehens. Der Mandaler schüttelte den Kopf.
    »Seht euch das an. Noch feiern sie sie, aber bald schon werden sie sie als Dienerin der Zeboa verhöhnen.«
    »Nein«, sagte Kalisse bestimmt. Ihre Stimme war ungewohnt sanft, der Glanz noch nicht aus ihren Augen gewichen. »Nein, Gerrek. Sie mögen in feindlichen Lagern stehen, doch keine von jenen, die hier Zeuge des Kampfes waren, wird Scidas Kraft und ihren Großmut jemals wieder vergessen.« Sie zuckte die Achseln. »Ich glaube nicht, daß ich an ihrer Stelle ebenso gehandelt hätte.«
    »O nein, du nicht! Du hättest Lacthy getötet. Kalisse, manchmal meine ich, du begreifst es nie.«
    »Was?«
    »Edelmütig zu sein. Das ist etwas, das euch Frauen fehlt. Scida hat sicher von Mythor und mir gelernt. Liebe deine Gegner, und…«
    »… halte still, wenn sie dir die Klinge zwischen die Rippen jagen.« Kalisse lachte. »Gerrek, gib’s auf. Du kannst mich heute nicht mehr verdrießen. Ich hatte es Scida so sehr gewünscht, daß sie ihre Genugtuung bekommt, und heute hat sie mehr erreicht als nur das.«
    Gerrek
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