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Hexenblut

Hexenblut

Titel: Hexenblut
Autoren: Neil White
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was ich normalerweise Tag für Tag bei meiner Zeitung ablieferte.
    Sarahs Haus stand ruhig und verlassen da. Die Bastjalousien waren an allen Fenstern heruntergelassen, sodass kein Geheimnis enthüllt werden konnte. Ich beschloss, das Viertel erst einmal zu verlassen. Unmittelbar nach dem Fund der Leiche hatte es hier von Reportern gewimmelt, und nicht jeder von ihnen hatte sich von seiner höflichen Seite gezeigt. Wenn einem die Tür vor der Nase zugeschlagen wurde, dann gab es nicht viel, worüber man berichten konnte.
    Ich schaute auf meine Armbanduhr und überlegte, was ich als Nächstes tun sollte. Plötzlich bemerkte ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung. Ich stieg aus und näherte mich dem Haus. Es sah noch immer so aus wie vor ein paar Minuten, verlassen und kalt, alle Jalousien waren geschlossen.
    Dann bemerkte ich die Bewegung abermals. Im vorderen Zimmer. Es war nur ein Finger, der die Lamellen ein klein wenig auseinanderdrückte. Jemand beobachtete mich.

8
    I nspector Lucas schaute auf den Boden, während er durch die Station geführt wurde. Der Geruch nach Desinfektionsmitteln und Krankheit war ihm vertraut, aber es war das Gefühl der Hoffnungslosigkeit, das ihn wegsehen ließ. Die Station bestand aus einer Reihe von Krankenzimmern mit je vier Betten, die Patienten waren alle alt und stierten desinteressiert vor sich hin. Er selbst war jenseits der fünfzig. Wie lange noch, bis ihn ein solches Schicksal ebenfalls ereilte?
    Ihm fiel auf, dass die Krankenschwester stehen geblieben war und auf eines der Zimmer deutete. Alle Betten waren mit weiblichen Patienten belegt, doch Abigail erkannte er sofort an ihrem frischen Verband. Er folgte der Schwester ins Zimmer, wo ihn niemand beachtete. Abigail schlief.
    »Wie geht es ihr?«, fragte er.
    »Die Schnittverletzungen an den Beinen wurden genäht, und ihre Verbrennungen sind nicht allzu ernst«, erwiderte die Schwester mit leiser Stimme. »Größtenteils oberflächlich. Aber sie hat einen Schock erlitten, und wir sind um ihre Sehkraft besorgt.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ein Stück von dem Objekt, das explodiert ist, hat ihre Augen getroffen. Das rechte hat nur eine Prellung abbekommen, aber auf dem linken könnte sie erblinden.«
    Rod wollte ihr nicht sagen, dass es Abigails zerfetzte Katze gewesen war, die ihr ins Gesicht geflogen war.
    »Ich werde hier warten«, sagte er.
    »Das kann noch eine Weile dauern«, warnte sie ihn. »Und ich möchte nicht, dass Sie ihr Fragen stellen, solange sie noch nicht bereit ist.«
    »Das werde ich nicht tun«, versicherte er ihr und nickte zur Bekräftigung.
    Im ersten Moment war die Schwester unschlüssig, doch als er ihr verständnisvoll zulächelte, lenkte sie ein und ließ ihn allein bei den Patientinnen zurück.
    Rod zog einen Stuhl heran und setzte sich zu Abigail ans Bett.
    Abigail sah nicht so aus, wie er es erwartet hätte. Er wusste, sie war achtundsechzig Jahre alt, also hatte er mit einer grauhaarigen, fahlen Frau gerechnet. Ihr krauses Haar war jedoch schwarz gefärbt, sodass man nur einen grauen Ansatz erkennen konnte. Sie trug es nach hinten gekämmt, und jetzt lag es wild zerzaust auf dem Kissen ausgebreitet. An fast jedem Finger trug sie einen Ring, die langen Nägel waren lila lackiert. Obwohl ein Auge verbunden war, konnte Rod erkennen, dass sie um beide Augen herum Prellungen davongetragen hatte. Die Decke lag nicht auf ihren Beinen, und er konnte die Verbände sehen.
    Er musterte ihre Hände genauer. Ein paar Schrammen waren zu erkennen, doch seine Aufmerksamkeit galt etwas anderem – einem Ring an ihrer rechten Hand, der ein schreiendes Gesicht in Silber auf schwarzem Untergrund zeigte. Dieses Motiv war ihm schon einmal begegnet, aber er konnte sich nicht daran erinnern, wann und wo.
    »Abigail?«, flüsterte er, um festzustellen, ob sie schon wach war. Keine Reaktion. »Abigail«, versuchte er es noch einmal. Wieder nichts.
    Er lehnte sich auf seinem Stuhl nach hinten. Manchmal bestand die Kunst, ein guter Polizist zu sein, darin, sich in Geduld zu üben.
    * * *
    Ich klopfte an Sarahs Haustür an. Die Frauen an der nächsten Ecke sahen wieder zu mir, dann plapperten sie drauflos. Ich wartete, doch im Haus rührte sich nichts.
    Wieder klopfte ich, diesmal hartnäckiger, und schließlich konnte ich ein Geräusch hören. Dann wurde die Tür geöffnet, und ich lächelte freundlich, was aber keine Wirkung zeigte.
    Vor mir stand eine dunkelhaarige Frau Anfang zwanzig in Jeans und weitem T-Shirt. Ihr
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