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Hesse-ABC

Hesse-ABC

Titel: Hesse-ABC
Autoren: Gunnar Decker
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den Romantiker ↑ Chopin preist, hätte
    bemerken können, daß auch Wagners Musik eine einzige große
    erotische Phantasie ist. Daß auch Wagner mit Schopenhauer ant-
    wortsuchend nach Indien ( ↑ lndienreise ) blickt, also sich auf dieselbe Spur wie Hesse begibt. Daß er im Osten nach Alternativen
    zum später von Spengler ausgesprochenen Verdikt des »Unter-
    gang des Abendlandes« sucht. Statt dessen schreibt Hesse, der
    selten so harte Urteile fällt: »Am Ende dieser Faszinierungen ste-
    hen die Kriege und Kanonen und alles andere, was Gott verboten
    hat. Nun, auch der »faustische« Mensch will seine Freuden haben,
    schade daß wir anderen sie so sehr mitbezahlen müssen.« Etwas
    vom Urteil Thomas Manns über den romantischen Künstler im
    »Doktor Faustus« (zur Hälfte Nietzsche und zur anderen Hälfte
    Gustav Mahler meinend) schwingt bei der »klassizistischen Wen-
    de« Hesses mit. Wie Hesse 1932 an seinen Jugendfreund Ludwig
    ↑ Finckh schreibt: in der Musik sei er selbst, »mit einigen kleinen Ausnahmen, sehr reaktionär«. Wagner – für Hesse ist er politisch
    der »Rattenfänger« des Nationalsozialismus und musikalisch der
    Ausdruck des »Verfalls« in der Musik. Jedoch erkennt Hesse an:
    Der Ton ist neu. Wagners Musik – wie auch die des von ihm eben-
    falls geringgeschätzten Richard ↑ Strauss – en tspräche der »Seele des heutigen deutschen Großstädters« (1934). Aber: »Wenn die
    Musik rauschend wird, zerfallen die Sitten und die Staaten sind
    bedroht.«
    Nach dem Zweiten Weltkrieg, im Juli 1947, begleitet Hesse Tho-
    mas Mann ins Wagner-Museum nach Triebschen (Luzern). Danach
    vermerkt er eine »kleine Zusammenstellung des denkbar Grausig-
    sten an deutsch-romantischer Malerei vom Ende des 19. Jahrhun-
    derts«. Nein, Hesse, der mit dem »Glasperlenspiel« sein
    Lebenswerk gekrönt sieht, hat eine klare (wohl allzu klare) Auffas-
    sung von der Musik. Eine Position, so muß man sagen, die zu-
    nehmend von außen an sie herangetragen scheint, Hesses Idee
    vom »idealen Staat« zu illustrieren: »Das Problem des Virtuosen
    ist dasselbe wie in Kastalien, die Persönlichkeit ist Voraussetzung,
    es geht nicht um sie, sondern um ihre Fähigkeit zum Einordnen in
    die Hierarchie.« (1947)
    So bleibt nichts übrig von Hesses anfänglicher Wagner-
    Begeisterung, sein Kunstideal weicht zunehmend pädagogischen
    Absichten. ↑ Nietzsche und Wagner, so schreibt er 1953, hätten ihn in seiner Jugend berauscht. »Beide Male folgte, um Jahre später,
    die Ernüchterung. Bei Wagner war sie vollkommen, ich konnte ihn
    nicht mehr ausstehen und sah auf meine kurzdauernde Begeiste-
    rung etwa so zurück, wie ein Student auf seine einstige Liebe zu
    Karl May.«

    Wanderung
    Hesses intimes Bekenntnis des Unterwegsseins als Lebensform.
    Variationen über das Thema: Der Künstler kann kein ↑ Bürger sei n.
    Herausgejubelt 1919 im ersten Befreiungsrausch des sonnen-
    durchfluteten Tessin. Zu schön, um viele Worte darüber zu ma-
    chen. Eine Hymne der befreiten Sinne. Selber lesen. Selber leben!

    Wege
    Diese kann man auf sehr unterschiedliche Weise befestigen. Und
    Hesse besitzt viele Bücher! Zu viele, findet der Dichter. Sie schik-
    ken ihm jedes Jahr mehrere hundert Rezensionsexemplare, und
    das schon in der Gaienhofener Zeit. Hesse hat zu Büchern, die er
    nicht schätzt, ein sehr nüchternes Verhältnis. Weg mit dem Bal-
    last! Was liegt da näher, als die Entsorgung der nicht für seine
    Bibliothek zugelassenen Bücher und Zeitschriften mit dem prakti-
    schen Erfordernis der Wegbefestigung zu verbinden! Zwei Zeug-
    nisse gibt es von dieser ungewöhnlichen Art der
    Bücherbeerdigung. Ein junger Nachbar hat Jahrzehnte später der
    »Gazette de Lausanne« berichtet, wie Hesse ihn über seinen neu
    angelegten Weg durch den Garten geführt und dabei gesagt habe:
    »Beachten Sie, wie schön fest dieser Weg ist. Er hat unter dem
    Sand ein gutes Bett, aber nicht von Stein, sondern dort unten
    liegt, hübsch geschichtet, die ganze deutsche Literatur von heu-
    te.« Seinem jüngsten Sohn Martin schrieb Hesse darüber in einem
    Brief (1944): »Wir hatten in Gaienhofen Sand die Menge, aber kei-
    ne Steine, und ich hatte den Weg mit lauter unnützen Büchern und
    Massen von Zeitschriften unterlegt.« Woran man sieht, daß Hesse
    zwar ein Romantiker, aber keineswegs sentimental war und auch
    drastische Bekundungen von Buch-Kritik nicht scheute!

    Wein
    Ein »Ausgleicher, Tröster, Besänftiger und
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