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Herzschlagzeilen

Herzschlagzeilen

Titel: Herzschlagzeilen
Autoren: Coppenrath Verlag GmbH & Co. KG
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mal auf.«
    Ich zucke zusammen. Mama sitzt immer noch da und schaut mich erwartungsvoll an. Kann man in dieser Familie denn niemals allein sein?
    Da meine Mutter nicht so aussieht, als ob sie jetzt durch irgendetwas dazu zu bewegen wäre, das Zimmer zu verlassen, fange ich vorsichtig an, den Umschlag aufzureißen. Tatsächlich. Das Erste, was mir entgegenrutscht, ist meine Mappe mit der Bewerbung und dem Lebenslauf. Enttäuscht ziehe ich sie heraus und lege sie auf den Schreibtisch.
    Ein Brief ist auch dabei, den ich nun aus dem Umschlag fummele. Eigentlich will ich ihn gar nicht mehr lesen, aber wenigstens überfliegen sollte ich ihn wohl.
    …
und hoffen, Sie am Montag, den 9. Juni, in unseren Räumen begrüßen zu dürfen.
    »Und?« Mama steht auf und rückt mir so dicht auf die Pelle, dass mir der Brief fast aus der Hand fällt.
    »Jetzt warte doch mal.«
    Aufgeregt fange ich weiter oben noch einmal an zu lesen.
    …
nehmen wir Bezug auf Ihre Bewerbung um einen Praktikumsplatz in unserem Haus.
    Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass ein solcher Platz bei uns zu dem von Ihnen gewünschten Zeitraum frei ist, und hoffen, Sie am Montag, den 9. Juni, in unseren Räumen begrüßen zu dürfen. Wegen der Einzelheiten setzen Sie sich bitte mit Herrn Redakteur Werner Fischer telefonisch unter folgender Nummer in Verbindung

    »Jaaa!!!«
    Ich umarme meine Mutter so fest, dass sie zurück aufs Bett fällt und nach Luft schnappt. Lachend ziehe ich sie wieder hoch. »Ich muss jetzt erst mal telefonieren.«
    Zum Glück nickt Mama nur verständnisvoll und schließt die Tür hinter sich.
    Ich greife nach meinem Handy.
Geh ran, los, bitte, bitte geh ran
. Besetzt. Enttäuscht werfe ich das Handy auf mein Bett. Mit wem telefoniert Nina bloß, wenn nicht mit mir? Da habe ich einmal die wichtigste aller Neuigkeiten mitzuteilen und meine beste Freundin ist nicht zu erreichen. Es ist nicht zu fassen.
    Vorsorglich überfliege ich noch mal das Schreiben vom
Stadtanzeiger
. Eigentlich kann ich es noch gar nicht richtig glauben.
    Endlich, endlich, endlich kann ich damit anfangen, eine richtige Journalistin zu werden. Kiki und Colin werden sich noch wundern.
    Vor meinem inneren Auge sehe ich schon eine fette Schlagzeile auf unserem
Stadtanzeiger
prangen und darunter meinen Namen. Dass die Schlagzeilen unserer Zeitung sich meistens auf die Jahreshauptversammlung des Kaninchenzuchtvereins oder bestenfalls den Brand eines Müllcontainers beschränken, verdränge ich in diesem Moment gekonnt.
    Blöd nur, dass ich diese Neuigkeit jetzt nicht mit Nina teilen kann. Irgendwann muss sie mit ihrem Telefonat doch mal fertig sein. Ich greife wieder zu meinem Handy und wähle ihre Nummer. Besetzt.

A m Samstag? Ja – äh – ich meine, nein, da habe ich noch nichts vor.«
    Meine Güte, Isa, reiß dich zusammen und hör auf, so rumzustottern
.
    Mein Blick fällt in den Spiegel, und ich bin heilfroh, dass die Dame am anderen Ende der Leitung mich nicht so sehen kann. Wenn ich vorher gewusst hätte, dass heute die Redaktion des
Stadtanzeigers
bei mir anrufen würde, hätte ich mich sicher angemessener gekleidet. Stattdessen trage ich ausgerechnet mein überdimensionales Garfield-Shirt.
    »Wer kommt? Der Bürgermeister? Ach so, ja, der OBERbürgermeister. Gut. Nein, ich habe ihn noch nicht getroffen.«
    Wo auch? Letzteres denke ich nur und spreche es nicht laut aus. Gemessen an der Aussicht auf ein Treffen mit unserem Oberbürgermeister verlief mein Leben bisher eher in ruhigen Bahnen. Das höchste der Gefühle war einmal ein persönlicher Händedruck des ersten Vorsitzenden unserer örtlichen Sparkasse, der aber eigentlich gar nicht mir galt, sondern unserer Schulsprecherin Elaine, die zufällig neben mir stand. Der Oberbürgermeister … vor meinem geistigen Auge sehe ich mich mit einem Glas Sekt in der Hand im Garfield-Shirt neben unserem Bürgermeister stehen. Falsch. OBERbürgermeister. Der trägt den Schriftzug BOB DER BAUMEISTER auf der Brust und prostet mir zu. Irritiert blinzele ich kurz. Die Dame vom
Stadtanzeiger
redet immer noch auf mich ein.
    Wo ist mein Notizbuch, verdammt noch mal, ich brauche dringend mein neues Notizbuch. Wie soll ich mir denn all diese Details sonst merken?
    Samstag, elf Uhr, Einweihung Kindergarten
Die Froschkönige
mit Oberbürgermeister. Dass mein Praktikum bei der Zeitung eigentlich erst am kommenden Montag anfangen soll, scheint die Dame am Telefon entweder nicht zu wissen, oder es interessiert sie
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