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Herzklopfen für Anfänger

Herzklopfen für Anfänger

Titel: Herzklopfen für Anfänger
Autoren: Lynne Barrett-Lee
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Autoalarmanlage?«, werfe ich ein.
    Sie schüttelt den Kopf.
    »Nein. Im Zimmer. Ein sehr lautes Summen.«
    »Der Rauchmelder vielleicht?«
    Briony blickt zur Decke, und schüttelt dann ihren Kopf.
    »Der summt nicht. Er piepst. Vielleicht war es etwas im Fernsehen, Mum.«
    Jetzt schüttelt Brionys Mutter ihren Kopf. »Ich habe dir doch gesagt, es hat wieder angefangen, nachdem ich den Fernseher ausgeschaltet hatte. Es hat mir nicht gefallen. Seltsame Geräusche mag ich nicht.«
    »Nun«, sagt Briony in ihrer unendlichen Geduld. »Jetzt hat es aufgehört, Mum, also brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Es war wahrscheinlich nur …«
    »Ich mag diese ganzen elektrischen Geräte überall nicht. Man weiß nie, ob sie … da! Da ist es wieder! Hör doch!«
    Wir lauschen.
    »Oh ja, jetzt höre ich es auch«, sagt Briony. »So eine Art …«
    Tropisches Insekt in einer Blechdose.
    »Ich weiß, was es ist«, sage ich und ergreife meine Handtasche. »Es ist mein Handy. Jonathan. Warum ruft er mich denn an?«
    Ich nehme das Gespräch an.
    »Wo bist du?«, grollt er.
    Ich bin so erschrocken über den Ton seiner Stimme, dass es mir einen Augenblick lang die Sprache verschlägt.
    »Wie bitte?«, sage ich verwirrt.
    »Wo bist du?«, fragt er wieder.
    Wenn es so ein Phänomen wirklich gäbe, stünden mir mittlerweile sämtliche Haare zu Berge und würden mir zuwinken. Briony und ihre Mutter blicken höflich weg.
    »Wie meinst du das? Ich bin nebenan.«
    »Nebenan?«, stößt er hervor.
    »Ja. Ich helfe Briony bei …«
    »Nebenan? Wirklich? Ehrlich?«
    »Ehrlich! Warum um alles in der Welt …«
    Aber er hat schon aufgelegt. Und dann beginnt das Telefon in Brionys Diele zu klingeln. »Merkwürdig«, sagt sie fröhlich und geht hinaus, um abzunehmen.
    Brionys Mutter blickt mich misstrauisch an. »Ich mag elektrische Dinge nicht«, sagt sie.
    Ich blicke auf mein Handy. Sechs entgangene Anrufe, steht da. Ich schalte es wieder auf Vibration. Beinahe bin ich geneigt, ihr zuzustimmen. Vor allem als Briony wieder ins Wohnzimmer kommt.
    »Du liebe Güte, du bist aber heute Abend gefragt, Sally.« Sie legt den Kopf schräg. »Es ist Jonathan! Für dich.«
    Für mich. Jonathan. Jonathan für Sally. Meine Füße sind auf einmal schwer wie Blei. Eine Hitzewelle überflutet mich. Direkt dahinter lauert eine Wutwelle.
    »Soll das ein Witz sein?«, frage ich kühl. »Wo bist du denn?«
    Seine Stimme klang eine Spur weniger scharf, aber wenn ich nicht schon achtzehn Jahre mit ihm verheiratet wäre, würde ich es nicht merken.
    »Ich bin zu Hause«, sagt er.
    »Zu Hause?«
    Jonathan zu Hause? Am Montagabend?
    »Ja«, bellt er.
    »Wieso?« Mir ist kalt.
    »Was glaubst du denn?« Mir wird noch kälter. »Und? Kommst du jetzt oder nicht?«
    ***
    An der Kreuzung von unserer Straße mit der Hauptstraße ist eine Bushaltestelle. Ich kann mich weder an die Nummer des Busses erinnern, der dort hält, noch weiß ich, wo er hinfährt. Ich weiß nur, dass ab abends um neun keine Busse mehr fahren. Das ist der nämlich der Grund, warum ich so oft den Chauffeur für Kate spielen muss. Es ist halb zehn. Das ist also keine Option. Ich könnte natürlich laufen. Ich könnte in irgendeine Richtung laufen, und mit etwas Glück, würde ich bis nach Brighton kommen. Oder vielleicht auch Croydon. Oder, wenn mir Flügel wachsen würden, bis nach Nimmerland. Egal wo. Ich weiß nur, dass ich noch nie ein so überwältigendes Bedürfnis verspürt habe, irgendwo anders zu sein.
    Nichtsdestotrotz stehe ich vor unserer Haustür, weil mich meine Beine ganz automatisch dorthin tragen. Meinen Schlüssel brauche ich nicht, weil die Haustür bereits offen steht. Jonathan steht im Lichtkegel, der von der Diele nach draußen fällt. Merlin sitzt neben ihm, wie eine Silhouette aus einem Horrorfilm.
    Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Was soll man denn in so einer Situation sagen? Wie eröffnet man ein Gespräch, das seit fast zwanzig Jahren ruht? Er weiß es offensichtlich auch nicht. Also weicht er einen Schritt zurück, lässt mich eintreten und schließt leise die Tür hinter mir. Dann sind wir allein miteinander. Die Luft ist schwer vor unausgesprochenen Gefühlen. Ich rieche, dass er getrunken hat, und fühle mich in der Falle. Am liebsten würde ich schreien.
    »Und?«, sage ich.
    Er geht an mir vorbei auf die Küche zu. Merlin und ich folgen ihm. Auf dem Küchentisch steht eine Flasche mit Malt Whisky, ein leeres Glas daneben. Er gießt sich einen Whisky ein und hebt das
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