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Herzklopfen für Anfänger

Herzklopfen für Anfänger

Titel: Herzklopfen für Anfänger
Autoren: Lynne Barrett-Lee
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Gatwick.
    Er zwinkert ihr zu, als er vorüberfliegt.

1
    Der Himmel in dieser Freitagnacht war sternenklar. Ein Himmel, so dicht besetzt mit funkelnden Himmelskörpern, dass sogar die nüchternsten, fantasielosesten Menschen staunend den Atem anhielten angesichts dieses Wunders und der atemberaubenden Schönheit des Universums.
    Und ich, Sally Matthews, einundvierzig, sehr müde, leicht feucht und mürrisch, fuhr über die Landstraßen in Sussex, um meine geliebte Tochter aus dem Haus ihrer Freundin abzuholen. Ich war zwar ein Sternengucker, aber ein Himmelskörper war ich nicht. Und ich hielt definitiv nicht inne, um den Himmel zu bewundern.
    Ich weiß noch, dass ich sehr müde war. Müde und gereizt, da ich unsanft bei einem dieser Aromatherapie-Bäder im Kerzenschein unterbrochen worden war, von denen in den einschlägigen Zeitschriften geschwärmt wird. Und so fuhr ich über Land – mit klatschnassen Haaren, umweht von einem Hauch Kerzenduft und den Überresten einer Passionsfruchtmaske im Gesicht.
    Ich hatte Jonathans Auto genommen. Bei meinem war nicht mehr viel Benzin im Tank, und – ja, okay, ich gebe es zu – er mochte es nicht, wenn ich damit fuhr. Es war ein Akt trotziger Wut, weil wir beide gerade einen Streit gehabt hatten. Die Art von Streit, die man eben hat, wenn die halbwüchsige Tochter mitten in der Nacht anruft und dich anfleht, sie bitte, bitte, bitte, bitte abzuholen. Und zwar sofort. Sie kennen das sicher.
    »Was denkt sie sich dabei, uns mitten in der Nacht anzurufen?«, hatte Jonathan gesagt.
    »Ich soll sie abholen.«
    »Was? Jetzt? Um diese Uhrzeit?«
    »Um diese Uhrzeit. Sie hat sich mit Amanda gestritten und möchte nach Hause.«
    »Das geht aber nicht. Ich lasse nicht zu, dass du um diese Uhrzeit unterwegs bist.«
    »Dann musst du eben fahren.«
    »Ich? Ich habe fast eine ganze Flasche Wein getrunken.«
    »Nun, einer von uns muss aber fahren. Ich habe ihr gesagt, ich komme.«
    »Nun, dann ruf sie an und mach es wieder rückgängig. Sie ist fast siebzehn, du liebe Güte. Sie kann da bleiben und es aussitzen.«
    »Aber ich kann sie nicht einfach im Stich lassen. Sie klang außer sich.«
    »Übertreibst du nicht ein bisschen? Sie wird sich schon wieder beruhigen.«
    »Aber ich kann nicht …«
    »Doch, du kannst. Warum hast du überhaupt Ja gesagt? Sie muss lernen, dass sie nicht erwarten kann …«
    »Ich weiß, ich weiß, ich weiß! Aber sie klang wirklich außer sich, und ich möchte nicht …«
    »Sie weiß schon, mit wem sie es machen kann. Merkst du eigentlich nicht …«
    »Jonathan, machst du dir denn keine Sorgen? Ist es dir egal, dass …«
    »Ach, fang doch nicht damit an! Dann fahr eben. Fahr! Tu, was du willst!«
    Einer dieser Streits.
    Also hatte ich mir rasch einen Pyjama und alte Turnschuhe angezogen, Kates schreckliche schwarze Strickjacke übergeworfen und war nach draußen marschiert, wütend, weil Jonathan gemütlich in seinem Sessel weiterschnarchen konnte.
    Die Straße war breit, leer und dunkel, so wie Landstraßen nachts eben sind. Hohe Bäume, die um diese Jahreszeit volles Laub tragen, säumten sie. Ihre Kronen bildeten ein dichtes schwarzes Muster vor dem tintenblauen Himmel. Ich fuhr am Gartencenter vorbei, an der Bude, in der diese schrecklichen Pfannkuchen verkauft werden, und an Mr Chips altmodischer Schaukelpferdfabrik, bevor ich auf die Straße einbog, die die wirkliche Welt mit dem Dörfchen im Zuckerbäckerstil verbindet, in dem Amandas Familie lebte. Über die Jahre bin ich diese Straße viele Male gefahren. Kate und Amanda sind schon ihr ganzes Leben lang befreundet. Hm. Ja. Zumindest bis heute.
    Ich hatte natürlich den Hund mitgenommen. Wenn ich schon mitten in der Nacht über Land fahren musste, dann war es sinnvoll, einen besseren Schutz im Auto zu haben als Jonathans Kricketausrüstung.
    Ich fuhr also die Straße entlang und murmelte Dinge vor mich hin, die Mütter so murmeln, wenn sie wissen, dass sie aufgrund ihrer Hormone Sklaven ihrer Kinder sind. Ab und zu durchzuckte mich der vage Wunsch, gegen meinen widerspenstigen Ehemann aufzubegehren. Und ich sah es nicht kommen. Ich sah das Auto einfach nicht kommen. Auch wenn das rückblickend merkwürdig klingt, genauso war es.
    Ich war um eine Kurve gefahren, die Bäume waren einer Hecke gewichen, und die Straße schien direkt zum Horizont anzusteigen. Deshalb hielt ich das Licht oben auf dem Hügel auch zuerst für einen Stern. Blinzelnd blickte ich noch einmal hin. Nein, es waren mehrere Lichter.
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