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Herzgesteuert: Roman (German Edition)

Herzgesteuert: Roman (German Edition)

Titel: Herzgesteuert: Roman (German Edition)
Autoren: Hera Lind
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ekle mich immer noch.«
    Das Kind ist total verzogen, höre ich Christiane gackern. Einfach mal feste hungern lassen. So wie wir früher. Wir bekamen eine saftige Ohrfeige, und dann war Ruhe.
    Seufzend setze ich mich neben Fanny auf die Parkbank. Nicht dass mir das Kind noch magersüchtig wird. Wahrscheinlich weiß das alles schon Christiane, aber mir verschließt sich Fanny. Weil ich eine geschiedene berufstätige Rabenmutter bin.
    Vorsichtig streiche ich ihr eine blonde Haarsträhne aus dem überhitzten Gesicht.
    »Ist alles nicht so einfach für dich in letzter Zeit, nicht?«
    »Es war noch nie einfach mit dir.«
    »Du meinst, auch schon, als Papa noch da war?«
    »Da war es erst recht nicht einfach.«
    »Wieso nicht?« Überrascht lege ich den Arm um ihre Schultern, aber sie schüttelt ihn heftig ab.
    »Weil ihr da immer gestritten habt.«
    »Aber wir haben doch nicht gestritten! Jedenfalls nicht in deiner Gegenwart!«
    »Hast du eine Ahnung!«
    Darauf kann ich nichts erwidern.
    Karsten Korzkamp ist Fannys Vater und war früher mal mein Chef.
    Sehr prekäre Familienverhältnisse.
    »Flexible, junge, ansehnliche Frau mit Verkaufstalent gesucht!« Auf diese Anzeige hatte ich mich gemeldet. Verkaufstalent habe ich. Organisationstalent auch. Ansehnlich bin ich sowieso. Ich war jung und brauchte das Geld. Zuerst war ich seine Sekretärin, später seine beste Mitarbeiterin, irgendwann seine Geliebte und schließlich die Mutter seiner Tochter Fanny. Wir heirateten und waren genau sieben Jahre lang ein erfolgreiches und nach außen hin glückliches Ehepaar.
    Aber Karsten kann einfach nicht die Finger von schönen und möglichst auch noch betuchten Damen lassen. Vorzugsweise sind sie geschieden und lassen sich von ihm die Häuser vermitteln, die ihre Exmänner für sie bezahlen müssen.
    Karsten ließ mich allerdings immer nur die Mietwohnungen vermitteln, weil er Angst hatte, ich könnte ihn irgendwann übertrumpfen und ihm die dicksten Fische vor der Nase wegschnappen. Nicht ganz zu Unrecht, denn heimlich absolvierte ich alle Kurse und Prüfungen, die man als selbstständige Immobilienmaklerin vorweisen muss.
    Meine Ahnung, dass ich mich eines Tages selbstständig machen würde, trog nicht.
    Als ich eines Tages eine tolle Mietwohnung aufschloss, war Karsten schon drin. Und zwar mit der Kundin, mit der ich verabredet war. Er zeigte ihr gerade das Schlafzimmer.
    Auf die Provision habe ich dann verzichtet.
    Auf Karsten allerdings auch. Er wohnt jetzt mit der besagten Kundin, die übrigens Kirsten heißt, in der besagten Wohnung. Besagte Kirsten erwartet ein Kind von ihm. Vielleicht nennen sie es Kerstin. Oder Thorsten.
    Schuster bleib bei deinen Borsten.
    Laut Christiane löst das in Fanny ein neues Trauma aus.
    Aber was soll ich machen?! Unterhalt fordere ich von Karsten nicht. Ich kann mein Kind selbst ernähren.
    Natürlich war viel Arbeit und Energie nötig, um es zu einer Immobilienfirma zu bringen, die Karsten Korzkamp Konkurrenz macht. Besser gesagt, zu einer, bei der Konkurrent Karsten Korzkamp den Kürzeren zieht.
    Unter uns Pastorentöchtern: Ich muss zugeben, dass mir das riesigen Spaß macht!
    Wahrscheinlich habe ich wirklich keine Ahnung, was in meinem armen Kind vorgeht.
    Christiane blickt als Einzige in die Seele meines Kindes.
    Und das muss ich dringend ändern.
     
    Als wir irgendwann weitergehen, gelingt es mir, Fanny durch ein unverfängliches Gespräch wieder aufzuheitern. Mein Kind ist wie ein erfrischender Aprilschauer: Erst braut sich was zusammen, dann stürmt, blitzt und donnert es, und dann scheint ganz plötzlich wieder die Sonne. Sie strahlt mich an und plaudert, dass mir ganz warm ums Herz wird.
    Wie von Zauberhand geführt, tanzt sie mir ein paar Ballettschritte vor und schwebt auf ihren ausgelatschten Turnschuhen wie eine Elfe über die frisch geharkten Frühlingswege. Ihre seidigen blonden Haare leuchten in der Nachmittagssonne, und das Hellgrün der Bäume duftet mit dem frisch gemähten Rasen um die Wette.
    Dazu singen die ersten Amseln unermüdlich.
    Du junges Grün, du frisches Gras!, denke ich, während mir die Melodie von Schumann – oder war es Brahms? – durch den Kopf geht.
    Wir werden das schon meistern, Fanny und ich.
    Den Rest des herrlich milden Nachmittags werde ich mit Fanny auf meiner Lieblingsbank verbringen, die bis zuletzt Abendsonne hat. Hier habe ich früher immer mit dem Kinderwagen gesessen und dann später, als Fanny im benachbarten Sandkasten spielte. Hier haben
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