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Herzgespinst - Thriller

Herzgespinst - Thriller

Titel: Herzgespinst - Thriller
Autoren: C. Bertelsmann
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streift ihre Fingerspitzen. Es ist windig heute, die Äste der Linde neben den Mülltonnen draußen biegen sich bei jeder Böe, für richtige Herbststürme ist es eigentlich noch zu früh. Später wird Luna ein zusammengerolltes Handtuch an die Stelle legen, sie hofft so sehr, dass das Zimmer warm wird, bis sie schlafen geht; wenn sie friert, spannt sich ihr ganzer Rücken an und tut weh. Sie spürt, dass sie Hunger hat, aber noch mehr Durst, und geht in die Küche, findet den Wasserkocher und ein paar Becher in einer Umzugskiste, zwei Schachteln mit Teebeuteln hat ihre Mutter mit eingepackt, Pfefferminz- und Waldfruchtaroma. In der zweiten Kiste findet sie die Becher, nur zu essen hat sie nichts, sie hat ihren Eltern gesagt, sie würde noch zum Supermarkt gehen, ehe die Geschäfte schließen, dabei weiß sie nicht einmal, wo hier in der Nähe ein Supermarkt ist. Kneipen hat sie im Vorbeifahren gesehen, ein oder zwei kleine Klamottenläden, ein Autohaus. In einer der Kneipen könnte sie etwas essen, vielleicht gibt es dort Salat, Sandwichs oder wenigstens Erdnüsse in der Tüte, die sie gleich mit nach Hause nehmen kann. Sie stellt den Wasserkocher an und legt einen Beutel Pfefferminztee in ihren Lieblingsbecher, den mit dem eingebrannten Foto von Thore und ihr, als sie noch klein waren. Seltsamerweise erscheint ihr das Bild vom Kindergartenfotografen jetzt tröstlich, statt ihren Kummer zu verstärken. Im Flur steht noch ihre Umhängetasche aus grauem Stoff, sie geht hinüber und prüft ihr Handy, doch es ist weder eine Nachricht noch ein Anruf eingegangen. Dann zählt sie den Inhalt ihrer Geldbörse durch, etwas über 23 Euro, für heute Abend reicht es auf jeden Fall. Die Wohnung kostet 270 Euro warm für 26 Quadratmeter. Die Eltern werden ihr monatlich das Kindergeld überweisen, dann ist da noch das Sparbuch, bald wird sie sich einen Nebenjob suchen müssen, um über die Runden zu kommen. In ein Studentenwohnheim hat Luna nicht gewollt, wollte allein sein, in ihrem eigenen Tempo Leute kennenlernen und nicht durch eine Gemeinschaft, die sie sich nicht selber ausgesucht hat. Wenn du mal wirklich knapp dran bist, lass es uns wissen, hat der Vater gesagt; dann gibt es ein bisschen was extra. Luna weiß, Thores Beerdigung war teuer, die Überführung der Leiche aus Portugal, der Sarg, die Blumen. Vor allem war sie nicht geplant. Zu dem Schmerz, dem Verlust, der sie alle fast um den Verstand gebracht hatte, auch noch die Kosten. Darum geht es nicht, das schafft man schon irgendwie, hat die Mutter immer wieder betont. Trotzdem hat Luna sich gleich vorgenommen, dass sie nie freiwillig zugeben wird, mehr Geld zu benötigen.
    Morgen kann sie ihre neue Umgebung erkunden, herausfinden, wo ein Geldautomat ist, ein Bäcker und ein Supermarkt, die nächste U-Bahn oder ein Bus, ein Buchladen. Ein Buchladen ist das Wichtigste. Was andere Mädchen für Klamotten und Schminkzeug ausgeben, investiert Luna in Bücher. Sachbücher zu Themen, die sie interessieren, historische Romane, Biografien. Thore hatte das immer gut gefunden. Nicht so oberflächlich wie die meisten bist du, hatte er gesagt.
    Das kochende Wasser blubbert, Luna gießt den Tee auf und legt ihre Hände um den Becher, trägt ihn zurück ins Zimmer und setzt sich aufs Bett, auf die kahle Matratze, auch die Bettwäsche muss irgendwo verpackt sein. Sie trinkt ihren Pfefferminztee schluckweise, er wärmt von innen, danach fühlt sie sich etwas besser. Luna stellt die leere Tasse mit dem Beutel darin aufs Fensterbrett, zieht jetzt doch ihre Jacke aus und rollt sie zusammen, in welcher Kiste die Handtücher sind, weiß sie nicht, es soll nicht so ziehen. Der Heizkörper ist kaum wärmer, blöd, dass sie ihn nicht mehr entlüftet haben. Du bist schuld, Thore, denkt sie und stellt sich vor, dass er jetzt lachen würde, sie lacht nicht, aber es tut gut, an ihren Bruder zu denken und mit ihm Zwiesprache zu halten, als wäre er noch da.
    Bewegung hilft, die Wärme, die der Tee gibt, etwas länger im Körper zu halten. Luna öffnet eine Kiste nach der anderen, zieht den Reißverschluss der Reisetasche auf, ihre ausgetretenen Sneakers hat sie noch an, hier sagt niemand, dass der Fußboden sauber bleiben muss. Nach kurzer Zeit hat sie fast die Hälfte ausgepackt, so reich sind ihre Besitztümer nicht, alles liegt und steht in der Wohnung verteilt, sie muss erst das meiste einräumen, bevor sie weiter auspacken kann. Nachdem sie das Zeitungspapier vom Fußboden aufgesammelt hat,
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