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Herzgefaengnis

Herzgefaengnis

Titel: Herzgefaengnis
Autoren: Greta Schneider
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Grund dazu. Ganz im Gegensatz zu mir. Und dann sah er auch noch so umwerfend aus. Trotz Jeans und Lederjacke, offenbar unvermeidliche Accessoires des Kriminalbeamten. Aber seine Augen, die so strahlten, sein Lächeln, das so ganz und gar uneitel war, seine Wahnsinnsfigur …
    „Guten Abend. Nein. Ich sollte lieber sagen … guten Morgen.“ Er reichte mir seine Hand, hartnäckig darum bemüht, dass ich sie auch nahm. Elektrisches Kribbeln.
    „Was tun Sie denn hier? Mitten in der Nacht?“
    Dämliche Frage , kritisierte mein Stolz. Was wird er wohl hier tun? Fällt dir nichts Besseres ein?
    „Das hier ist keine Außenermittlung. Falls Sie gerade wieder fragen wollten, ob es dienstlich ist“, erläuterte er seine Anwesenheit. Ich manövrierte mein Rad in Richtung Heimat, und er schlenderte neben mir her.
    „Und was ist es dann?“ Ich gewann langsam meine Fassung wieder.
    „Was meinen Sie? Vielleicht eine Vollnarkose-Vorbereitung? Für sonntägliches Zahnziehen?“
    Er grinste sein unverschämtestes Grinsen.
    „Oh, und ich dachte, ich soll eine Wartenummer ausgeben. Mal schauen – Sie haben die …“
    „Eins. Wartenummer eins natürlich. Etwas anderes kommt ja wohl nicht in Frage.“
    Sein Blick haftete an mir, ließ sich nicht abschütteln.
    „Ich begleite Sie übrigens nach Hause. Um diese Uhrzeit sollten Sie sich nicht alleine hier aufhalten.“
    Das klang endgültig.
    „Ich weiß ganz ehrlich nicht, ob ich mich dadurch sicherer fühle“, entgegnete ich.
    Jetzt lachte er.
    „Sollen Sie auch gar nicht. Ich mag es, wenn Sie unsicher sind.“
    „Weil Sie dann was machen können?“
    „Ihnen Mut machen, sich auf mich einzulassen?“
    Ich blieb stehen und versuchte in seinem Gesicht zu lesen. Erfolglos. Hinter seinem Lächeln verbarg er, was er dachte. Was im Dunkeln nicht weiter schwer war.
    „ Auf Sie oder mit Ihnen?“ Vorsichtshalber schaute ich wieder geradeaus und ging weiter.
    „Das eine geht nicht ohne das andere.“
    Mit diesen Worten legte er einen Arm um meine Taille. Ich hielt den Atem an. Seine Nähe verursachte ein kleines Erdbeben in meinem Körper, seine Hand an meiner Seite schien ein Loch in meine Daunenjacke zu brennen. Er schritt weiter neben mir her, passte seine Schrittlänge der meinen an. Oder war es umgekehrt? Als wäre es das Selbstverständlichste der Welt, drückte er mich leicht an sich. Ausnahmsweise fiel mir keine passende Erwiderung ein. Ich schluckte.
    Er roch verdammt gut. Es war nicht nur sein wahrscheinlich wahnsinnig teures Rasierwasser, das wahnsinnig gut zu ihm passte. Es war er selbst, ein Hauch von Leder, ein Hauch von – ich weiß nicht was.
    „Sie sagen ja gar nichts“, seine Stimme hatte einen raueren Klang angenommen. „Und dabei macht es mir solchen Spaß, mich mit Ihnen zu unterhalten.“
    „Oh, ähh - danke, aber mir fällt gerade nichts – ein …“ stotterte ich.
    Hallo? Was ist los? meckerte mein Stolz.
    „Woran liegt das? Mache ich Sie etwa – mundtot?“
    „Lieber Herr König, das ist ein sehr, sehr – unschönes Wort für das, was Sie mit mir machen …“ Ich blickte geradeaus, in der Hoffnung, er würde mein Lächeln nicht bemerken. Setzte weiter einen Fuß vor den anderen. Er hingegen ließ seine Augen auf mir umherwandern. Ich konnte es fühlen. Er zog mich näher zu sich heran und beugte sich zu mir, sein Mund ganz dicht an meinem Ohr.
    „Liebe Frau Jung, was wäre denn ein schönes Wort dafür?“ hauchte er. Das Kribbeln, das er damit in meinem Körper auslöste, war namenlos. Als flatterte in meinen Eingeweiden ein Schwarm besonders kleiner, zierlicher Vögel wild durcheinander. Als schlügen in mir Flügel, so schnell und zart wie von einem Kolibri.
    „Gefällt Ihnen ‚nachdenklich‘ besser?“ brachte ich schließlich heraus. So ganz in der Gewalt hatte ich meine Stimme nicht. Er ließ ein leises Lachen hören.
    „Ich mache Sie nicht nachdenklich. Sie suchen nur nach einer guten Antwort. Das ist alles, worüber Sie nachdenken. Nein …“ Er verlangsamte seinen Schritt und hielt mich fest. „Am besten gefiele mir ‚verwirrt‘.“
    „Das würde ja voraussetzen, dass ich nicht weiß, worauf Sie hinauswollen.“
    „Was Sie tatsächlich nicht wissen.“
    „Ach nein? Ich entsinne mich da noch an eine gewisse E-Mail von Ihnen – da war doch etwas mit – ähh … ja, jetzt hab´ ich´s: ziehen und schieben .“
    Ich konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Er lachte laut.
    „Ach, daran denken Sie. Aber Sie haben nicht
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