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Herzflimmern

Herzflimmern

Titel: Herzflimmern
Autoren: Barbara Wood
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eine gibt einem Kraft und Energie, um etwas zu schaffen oder zu bewirken. Die andere macht einen vollkommen ohnmächtig.«
    Ruth drückte wieder eine Zigarette aus und kehrte zum Sessel zurück.
    »Ich weiß nicht, was ich tun soll, Margaret.«
    »Sprechen wir von Ihrem Mann. Was für Gefühle haben Sie, wenn Sie jetzt an ihn denken?«
    »Arnie? Der ist doch nur ein Schatten.«
    »Sind Sie auf ihn auch wütend?«
    »Ich sollte es sein. Ich glaube, er hat ein Verhältnis.«
    »Sie sind also wütend auf ihn?«
    Ruth wandte den Blick ab.
    »Ich weiß es nicht. Ich kann es nicht sagen. So geht es mir mit allem – keine klaren Linien, alles ist verschwommen. Ich weiß, was für Gefühle ich haben
sollte
, aber ich glaube, ich bin eher wütend darüber, daß er es mich hat merken lassen, als darüber, daß er mich tatsächlich betrügt.«
    Ruth fuhr geistesabwesend mit zwei Fingern auf der Armlehne des Sessels hin und her.
    »Ich habe überhaupt nichts mehr im Griff. Ich kann die Termine für die Zeitung nicht einhalten; ich habe viel zu viele Patienten; ich kann die Arbeit nicht mehr schaffen. Sogar meine Kinder entfernen sich immer weiter von mir. Wenn ich sie ansehe, kommen sie mir vor wie Fremde. Rachel ist in diesem Monat vierzehn geworden. Als sie neulich von der Schule nach Hause kam, hatte sie eine Sicherheitsnadel im Ohr. Ich war plötzlich wie vor den Kopf geschlagen. Ich dachte, erst gestern habe ich sie doch noch im Kinderwagen geschoben.«
    Ruth senkte den Kopf und rieb sich die Stirn.
    »Mein Leben schrumpft, Margaret. Und es zerfließt mir unter den Händen. Ich komme nicht mehr mit der Zeit zurecht. In letzter Zeit denke ich viel an früher, an mein Studium. Das waren Zeiten!« Sie sah Margaret an und lächelte. »Da hat der Sex noch Spaß gemacht.«
    »Und wie ist er jetzt, mit Ihrem Mann?«
    »Nicht vorhanden. Arnie ist total phantasielos. Die Frau, mit der er mich betrügt, muß einen Mann schon sehr dringend nötig haben.«
    »Haben Sie wegen dieser Affäre mit ihm gesprochen?«
    »Noch nicht. Ich weiß noch nicht genau, wie ich mich verhalten soll. Ich hab’ so viel um die Ohren. Ich komme mir vor wie ein Jongleur, der zu viele Bälle hat. An manchen Tagen habe ich das Gefühl, daß die Wände rundherum mich erdrücken.«
    »Haben Sie dieses Gefühl jetzt auch?«
    {318}
    Ruth sah sich im Zimmer um. »Ja.« Dann senkte sie wieder den Kopf. Sie wußte, was sie tat. Sie bewegte sich im Kreis, sie schlug Finten wie eine geübte Fechtmeisterin, warf Margaret Cummings aus tiefstem Herzen kommende Erklärungen hin, weil sie wußte, daß diese sie erwartete. Aber Ruth wußte auch, daß sie diese Vermeidungshaltung früher oder später würde aufgeben müssen, weil Margaret sie durchschaute.
    »Der Traum ist wiedergekommen«, sagte sie leise.
    »Der, den Sie als junges Mädchen so oft hatten?«
    »Ja. Er kam das erstemal, als ich zehn war. Damals lief ich in einem Rennen mit und mein Vater lachte mich aus. Es war ein Alptraum. Und er kam immer wieder. Ich war damals dick, und mein Vater ermahnte mich ständig, weniger zu essen. Jedesmal, wenn er mich kritisiert hatte, kam der Traum.« Ruth zupfte an einem Fädchen des Sesselbezugs. »Als ich studierte, verschwand er und kam das erstemal wieder, als ich vor neun Jahren die Amnioskopie machen ließ. Dann war wieder eine Weile Ruhe, und jetzt hat es wieder angefangen – letzte Woche, in der Nacht nach meinem Geburtstag. Meinem vierzigsten Geburtstag.«
    »Ist Ihr Geburtstag nicht auch der Todestag Ihres Vaters?«
    Ruth blickte auf. »Doch. In der Nacht nach seinem ersten Todestag kam der Traum wieder, und er ist genauso, wie er früher war. Er hat sich überhaupt nicht verändert, nicht im kleinsten Detail.« Ruth lehnte den Kopf nach rückwärts und sah zur Zimmerdecke hinauf. »Es ist ein kurzer Traum, und eigentlich passiert überhaupt nichts. Aber ich bin jedesmal wie gelähmt vor Angst. Und wenn ich aufwache, klopft mir das Herz bis zum Hals.
    Ein großer, schwarzer Raum schließt mich ein. Ich weiß nicht, ob es ein Zimmer ist oder eine Höhle oder ein Ozean. Ich kann nichts sehen. Ich bin total blind. Und ich falle jedesmal darauf herein. Jedesmal packt’s mich wieder. Jedesmal fühle ich das Entsetzen und die Angst vor der Leere. Ich bin körperlos, fleischlos. Ich bin ein ziellos dahintreibendes Ding in grauenerregender, feindseliger Schwärze. Dann gerate ich in Panik. Ich fange an, mich zu fragen, wer ich bin. Ich kann nicht denken, nicht
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