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Herzflimmern

Herzflimmern

Titel: Herzflimmern
Autoren: Barbara Wood
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stundenlang herumgelaufen«, fuhr sie fort. »Ich muß ausgesehen haben wie eine wandelnde Tote. Ich erinnere mich undeutlich, daß die Leute mich angestarrt haben, und ich weiß, daß ich dachte: So ist das also, wenn man einen Nervenzusammenbruch hat.« Ruth kniff die Augen zusammen und starrte über die schaumweißen Wellen hinweg in die Ferne. »Irgendwann bin ich dann auf die Fähre gegangen und kam um elf ungefähr nach Hause. Die Kinder waren schon im Bett. Aber Arnie war noch auf. Er saß vor dem Fernseher. Er schaute nicht mal hoch, als ich reinkam, sagte kein einziges Wort, und da wurde mir mit einem Schlag bewußt, daß es schon lange so mit uns war. Es war mir nur nie aufgefallen.«
    {323}
    Der Septembertag war ungewöhnlich klar. Die Farben hatten eine plastische Schärfe: das Blau des Wassers, das blasse Gelb des Sandes, das intensive Grün der Bäume oben auf den Felsen, wo die weißen Bauten des Castillo Colleges standen. Es war Sondras Idee gewesen, hierher zu kommen, und während Ruth eine Handvoll warmen Sand schöpfte und die Körnchen vom Wind wegfegen ließ, schaute sie wieder den Strand entlang zu der einsam wandernden Sondra. Sie erschien ihr mit ihren vierzig Jahren jünger und schöner denn je; die Härte des Lebens auf der Missionsstation schien zumindest äußerlich keine Spuren hinterlassen zu haben. Sie war immer noch gertenschlank, besaß immer noch diese natürliche Grazie – trotz der geschienten Arme, die in Gehäuse aus Metall und Schaumgummi eingeschlossen waren, während die Finger mit Drähten und Gummibändern fixiert waren.
    »Aktive Schienen«, hatte Mickey es genannt. Während das verpflanzte Gewebe wuchs und sich akklimatisierte, wurden die Finger ständig unter leichter Spannung gehalten. Sondras Finger mochten wie erstarrt aussehen, tatsächlich arbeiteten sie unaufhörlich gegen die Gummibänder; Muskeln und neue Sehnen wurden geübt, obwohl es nicht so erschien.
    Bei ihrer Ankunft am Vortag war Ruth entsetzt gewesen, als sie das Ausmaß von Sondras Verletzungen zu Gesicht bekommen hatte. In den Briefen war das nicht in dieser Deutlichkeit herausgekommen. Ruth war auf eine solche massive Schädigung, derart umfangreiche Wiederherstellungsarbeit nicht vorbereitet gewesen – die Flecken heller Haut, die von Bauch und Oberschenkeln verpflanzt worden waren, die unzähligen feinen Nähte, die unglaublich mageren Arme, die dünnen, klauenhaft gekrümmten Finger. Sie wußte, was Mickey in diesen letzten fünf Monaten geleistet, was Sondra durchgemacht hatte.
    Im April hatte Mickey als erstes Sondras Hände fotografiert. Wie ein Goldschmied, der den Auftrag erhalten hat, einen besonders wertvollen Diamanten zu schleifen, studierte sie die Bilder, inspizierte jede Linie und jeden Winkel, füllte Blöcke mit Skizzen der verschiedenen Möglichkeiten, saß bis spät in die Nacht über Büchern, um sich mit dem komplizierten Gebilde der menschlichen Hand von neuem vertraut zu machen. Das Ziel war, die stillgelegten Muskeln und Sehnen zu befreien, die narbige Haut zu entfernen und durch Transplantationen zu ersetzen.
    Als Mickey bereit war, mit der Behandlung anzufangen, stellte sie einen genauen Plan auf. Die Operationen sollten im St. John’s Krankenhaus durchgeführt werden, wo Sondra dann noch eine Weile zur Erholung bleiben würde. Danach sollte sie wieder bei Harrison und Mickey wohnen; eine private Pflegerin würde sich um sie kümmern. Während der {324} gesamten Behandlungszeit von fünf Monaten würde Sondra Arme und Hände nicht gebrauchen können.
    Bei der ersten Operation Ende April waren die Hände nicht in Mitleidenschaft gezogen worden. Da ging es erst einmal darum, den Bauchlappen zu heben. Die Verletzungen an Sondras linker Hand waren so schwer, daß sie mit einer einfachen Hautverpflanzung nicht behoben werden konnten. Auch das subkutane Gewebe mußte erneuert werden; das hieß, daß an einer Stelle, wo sie sie entbehren konnte, eine ganze Schicht von Haut und subkutanem Gewebe entfernt werden mußte. Da dieser ›Lappen‹ mit seiner alten Wachstumsstelle verbunden bleiben mußte, während er sich an seinem neuen Wachstumsort an der Hand regenerierte, wählte man den Bauch als Spender.
    Mickey führte den Eingriff bei örtlicher Betäubung durch. Nach zwei parallel verlaufenden Einschnitten an Sondras Bauch hob sie Haut und subkutanes Gewebe vorsichtig ab, so daß sich der Lappen wie ein kleiner Steg über dem Bauch wölbte, und nähte sie dann wieder an. Sinn
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