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Herzensruhe

Herzensruhe

Titel: Herzensruhe
Autoren: Anselm Gruen
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Stille zu genießen.
    Überall umtönt ihn Lärm, der Verkehrslärm, der Lärm in den Betrieben, der Lärm der Medien. In manchen Häusern kann man im Sommer die verschiedensten Fernsehund Hörfunkprogramme auf einmal hören. Aus jeder Wohnung tönt ein anderer Sender.
    Leute, die in der Nähe einer befahrenen Kreuzung wohnen, können ihre Fenster noch so dicht schließen - der Lärm wird sie überallhin verfolgen. Da gibt es Menschen, die gerne in aller Stille arbeiten. Aber die Kollegin am Schreibtisch, der Mitarbeiter an der Baustelle redet in einem fort. So kommt zur Arbeit noch der Streß der vielen Worte dazu, die den ganzen Tag auf einen einströmen. Es gibt so viele Menschen, die die Stille nicht aushalten. Und sie rauben sie auch denen, die sie gerne suchen. Da möchte einer schweigend Spazierengehen,
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    aber der Begleiter redet ununterbrochen. Auf diese Weise kann man die wunderschöne Landschaft gar nicht bewundern. Man ist ständig mit Nichtigkeiten beschäftigt. Andere kommen nach der Arbeit kaum nach Hause, da geht schon der Fernseher oder das Radio an. Sie brauchen eine Geräuschkulisse. Sie verdeckt ihre Unfähigkeit, mit sich selbst allein zu sein und zur Ruhe zu kommen.
    Hetze und Selbsthaß
    Neben dem Lärm ist es vor allem die Hektik, die uns daran hindert, zur Ruhe zu kommen. Immer wieder höre ich die Klage, wir würden in einer hektischen Zeit leben. Die Hektik im Beruf, in der Familie, in der Umwelt nehme immer mehr zu. Das Wort Hektik kommt eigentlich aus der medizinischen Fachsprache. Es leitet sich vom griechischen „hexis“ her, das Haltung und Zustand bedeutet. Ein hektisches Fieber ist eigentlich ein langdauerndes, chronisches Fieber. Erst im 20. Jahrhundert hat das Wort hektisch die Bedeutung bekommen: „fieberhaft, aufgeregt, von krankhafter Betriebsamkeit, sprunghaft, gehetzt“.
    Offensichtlich ist das Aufgeregtsein heute eine chronische Krankheit, ein Zustand, der die Gesellschaft prägt. Viele klagen heute über die Hektik im Berufsleben. Da wird jede Minute verplant. Da wird man, ohne daß man es will, zur Hetze getrieben. Hetze kommt eigentlich von Haß. Der Haß treibt zur Verfolgung. Wir werden in die Hetze gejagt, wir werden zur Eile angetrieben. Es ist ein sehr aggressiver Ton in den beiden Wörtern „Hektik“ und „Hetze“. Aber das Leben ist heute von dieser aggressiven Grundstimmung geprägt. Da erlauben wir uns gar nicht mehr, auszuruhen, das Leben zu genießen. Der Chef treibt uns zur Arbeit an. Und er selbst wird angetrieben von denen, die ihn verfolgen. Das können andere Firmen sein, das kann aber auch sein eigener Verfolgungswahn sein, sein eigener Ehrgeiz, der ihn nicht zur Ruhe kommen läßt. Hektik ist also von Haß geprägt, von Haß auf die andern, denen man das Leben nicht gönnt, die man zu immer höheren Leistungen und
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    zu mehr Tempo antreibt. Hetze läßt aber immer auch auf einen Haß auf sich selbst schließen. Man hetzt sich selber, weil man böse ist auf sich, weil man sich selbst haßt, weil man das Leben haßt. Man stöhnt über die Anforderungen von außen, aber man setzt sich selbst ständig unter Druck. Wenn man genauer nachfragt, warum man sich so unter Druck setzt, dann wird man auf eine tiefe Selbstablehnung stoßen. So wie man ist, ist man nicht gut, kann man sich nicht lieben. Man haßt sich so, wie man ist. Deshalb muß man mehr aus sich machen, in der Hoffnung, daß man sich dann lieben kann. Aber diese Hoffnung ist leer.
    Sie wird nie erfüllt, weil der Hektik und dem Haß etwas Maßloses innewohnt.
    Hektik und Hetze führen aber nicht zu der größeren Leistung, die man erwartet. Im Gegenteil, je hektischer wir arbeiten, desto mehr Fehler machen wir, und desto blinder werden wir für die eigentlichen Lösungen. Hektik verhindert eine gediegene Leistung, die Bestand hat. Hektik führt immer nur zu kurzfristigen Lösungen und zu Arbeitsergebnissen, die nicht zufriedenstellen. Wenn ich gehetzt einen Tisch schreinere, wird er nicht so lange halten, wie wenn ich ihn achtsam und behutsam fertige und mich an ihm freuen kann. Wenn ich eins nach dem andern tue, kommt mehr dabei heraus, als wenn ich hektisch bald nach diesem oder jenem Ordner greife, wenn ich wie ein gehetztes Wild von Besprechung zu Besprechung eile.
    Mir erzählen Verantwortliche in der Wirtschaft, wie sie unzufrieden sind über die Hektik, die sie ständig antreibt. Sie haben selbst das Gefühl, daß dabei nichts herauskommt. Aber sie haben nicht die innere
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