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Herzensruhe

Herzensruhe

Titel: Herzensruhe
Autoren: Anselm Gruen
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heraus Gott zu loben. Das hat Henri Nouwen als seine wichtigste Einsicht aus seinem Aufenthalt in der Trappistenabtei Genesee erkannt. Er hatte gedacht, durch die Ruhe bei den Trappisten seine Proble me
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    loslassen zu können. Aber schon kurze Zeit später hatten ihn seine depressiven Verstimmungen von neuem im Griff. Da erkennt er: „Klöster baut man nicht, um Probleme zu lösen, sondern um Gott mitten aus den Problemen heraus zu loben.“
    Wenn ich Gott mitten aus den Turbulenzen meines Lebens heraus, mitten aus den ungelösten Konflikten und unaufgearbeiteten Problemen heraus lobe, dann bestimmen sie mich nicht mehr. Ich werde gelassen und ruhig. Das Fest ist Ausdruck dieser Gelassenheit mitten in einer Welt, in der so vieles ungelöst ist. Wenn wir mit dem Fest warten wollen, bis wir die Probleme unserer Welt gelöst haben, könnten wir nie ein Fest feiern, dann könnte der Teufelskreis unserer Probleme und unseres Kreisens um sie nie unterbrochen werden. Das Fest ist heilsame Unterbrechung. Es verschafft uns Ruhe mitten in der Unruhe unserer Zeit. Aber diese Ruhe erfahren wir wohl nur, wenn wir Gott bei unseren Festen einbrechen lassen in unser Leben, wenn wir auf den Schöpfer schauen und ihn gemeinsam loben. Wenn wir bewußt die Feste feiern, die Gott uns als heilsame Unterbrechung gewährt, dann ahnen wir auch, daß -
    wie Clemens von Alexandrien sagt - unser Leben ein dauerndes Fest ist, ein dauerndes Lob Gottes, in dem wir den Teufelskreis von Hetze und Ruhelosigkeit unterbrechen und an Gottes Ruhe mitten in der Unruhe unserer Zeit teilhaben.
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    Im Schatten seines Baumes
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    Schluss

    Nichts ersehnt der Mensch heute mehr, als daß er zur Ruhe kommt, daß er nicht nur äußere, sondern auch innere Ruhe findet. Er leidet an der Unruhe unserer Zeit, am Lärm, der ihn umgibt, an der Hektik, die ihn zu Tode hetzt. Aber in seiner Sehnsucht nach wirklicher Ruhe leidet der Mensch zugleich an seiner Unfähigkeit, wirklich ruhig zu werden. Die wenigen Augenblicke, die er sich gönnt, um einmal von allem abzuschalten, führen ihn nicht zur Ruhe, sondern konfrontieren ihn mit dem inneren Lärm, mit seinen lauten Gedanken, seinen Sorgen, seinen Ängsten, seinen Schuldgefühlen, seinen Ahnungen, daß sein Leben wohl doch nicht so läuft, wie er es sich einmal erträumt hat. Und so läuft er vor diesen unangenehmen Augenblicken der Stille davon und betäubt sich wieder mit dem Lärm, der von allen Seiten auf ihn einströmt. Er flieht wieder in die Beschäftigung, um seiner so unbequemen Wahrheit aus dem Weg zu gehen. Die Gedanken dieses Buches haben gezeigt, daß der Weg zur wahren Ruhe nur über die eigene Wahrheit führt und daß es ein höchst anspruchsvoller Weg ist, ein Weg, der letztlich von mir und meinen Sorgen wegführt und in Gott hinein mündet. Das Wort des hl.
    Augustinus vom unruhigen Herzen, das nur in Gott Ruhe findet, ist nicht nur ein frommes Wort, sondern es entspricht unserer tiefsten Erfahrung. Wir selbst können unser unruhiges Herz nicht beruhigen. Wir können unsere Ängste nicht selbst besänftigen, wir können unsere Schuldgefühle nicht selbst entkräftigen, wir können unserem eigenen Schatten nicht davonlaufen. Wir brauchen den Baum, in dessen Schatten wir ausruhen können, ohne von unserem Schatten geängstigt zu werden. Wir brauchen Gott, in dessen Schutz wir geborgen sind, in dessen Liebe wir erahnen dürfen, daß wir bedingungslos angenommen sind, daß alles in uns sein darf, auch die Unruhe,
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    auch die quälenden Sorgen und Ängste. Weil vor Gott alles sein darf, weil wir vor Gott alles zeigen dürfen, was in uns ist, kann in seiner Nähe die tödliche Flucht vor uns aufhören. So können wir uns im Schatten seines Baumes niederlassen und die wahre Ruhe finden, nach der wir uns alle so sehr sehnen.

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    Literatur

    Pierre Adnäs, Hésychasme, in: DS VII 381-399.
    Augustinus, Bekenntnisse, übers, von Hermann Hefele, Jena 1939.
    Die Benediktsregel. Eine Anleitung zu christlichem Leben, übers, u. erklärt von Georg Holzherr, Einsiedeln 1980.
    Otto Betz, Das Geheimnis der Zahlen, Stuttgart 1989.
    Pascal Bruckner, Ich leide, also bin ich. Die Krankheit der Moderne, Weinheim 1996.
    Meister Eckhart, Ewigkeit inmitten dieser Zeit, ausgew. und eingel. von Karin Johne, Einsiedeln 1983.
    Evagrius Ponticus, Praktikos. Über das Gebet, Münsterschwarzach 1986.
    Erich Grässer, Der Brief an die Hebräer, Einsiedeln o. J.
    Johannes Cassian, Gott suchen - sich selbst
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