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Herzensruhe

Herzensruhe

Titel: Herzensruhe
Autoren: Anselm Gruen
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Unruhe, und hinein in ein gesammeltes, achtsames, sanftes Tun. Wer zusammen ist mit dem, was er berührt, der geht sanft damit um. Wer zusammen ist mit sich selbst, mit seinen verschiedensten Bedürfnissen und Wünschen, mit seinen Leidenschaften und Emotionen, der ist sanft mit sich selbst, der lebt im Frieden zusammen mit den Gegensätzen, die in ihm sind. Und wer beim andern ist, dem er begegnet, der kann nicht grob und hart sein.
    Wer mit dem andern zusammen ist, wird ihm sanft gegenübertreten.

    Fasten und Schweigen

    Ein konkreter Weg, wie wir innerlich wie auch äußerlich zur Ruhe kommen können, ist das Fasten, das sich heute wieder großer Beliebtheit erfreut. Wenn ich etwa eine Woche lang faste, dann erlebe ich, daß meine Bewegungen von alleine ruhiger werden. Ich gehe langsamer. Ich spüre, daß ich keine Hektik vertrage. Ich kann gut und viel arbeiten, aber sobald ich hektisch werde, merke ich, wie mir schwindlig wird, wie ich mit diesem gehetzten Tun mich selbst beschwindle. Das Fasten
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    konfrontiert mich allerdings am Anfang mit vielen Gedanken und Gefühlen, die ich verdrängt habe, vor allem mit Ärger und Enttäuschung. Ich spüre, wie ich sonst diese Gefühle oft sofort unterdrücke, indem ich etwas esse. Man kann mit Essen negative Gefühle zustopfen, um sich selbst nicht spüren zu müssen. Wenn ich dem Hunger nicht nachgebe, sondern ihn aushalte, dann wird der alte Mechanismus durchbrochen. Das Fasten lädt mich ein, nach anderen Wegen zu suchen, meinen eigentlichen Hunger zu stillen. Wenn ich einen Fastenkurs halte, dann verbinde ich ihn immer mit Schweigen. Denn für mich hat Fasten eine religiöse Bedeutung. Es will mich in der Stille für Gott öffnen, für die innere Welt meiner Seele.
    Das deutsche Wort „den Hunger stillen“ zeigt unsern altvertrauten Mechanismus. Normalerweise stillen wir den Hunger, indem wir essen. Die Mutter „stillt“ das Kind, indem sie ihm die Brust reicht. Indem sie das Kind „stillt“, wird es allmählich ruhig. Das Fasten „stillt“ auf andere Weise unseren Hunger. Es bringt uns zur Ruhe, indem wir auf den Grund unseres Hungers gelangen, indem wir den Hunger als Sehnsucht nach Liebe und Geliebtwerden, nach Erfüllung und Zufriedenheit erfahren. Wenn die Mutter das Kind stillt, dann ist es nicht nur die Nahrung, die den Hunger stillt, sondern auch die liebende Zuwendung, die das Kind zur Ruhe bringt. Im Fasten verzichten wir auf Sättigung und Zustopfen. Wir wenden uns in Liebe unserer eigentlichen Sehnsucht zu. Und die führt uns über diese Welt hinaus. Sie richtet sich im Tiefsten nach Gott, der allein unseren Hunger zu stillen vermag.
    In der Mittwochskomplet singen wir Mönche immer Psalm 62, der mit dem Vers beginnt: „Nur zu Gott hin wird meine Seele still, von ihm allein kommt mir Hilfe“ (Ps 62,2). Wirklich zur Ruhe kommen wir erst dann, wenn wir unser Herz ganz und gar auf Gott hin richten, wenn Gott selbst unsern Hunger nach Liebe und Nähe, nach Frieden und Sattsein stillt. Was wir im Essen immer wieder versuchen, gelingt uns doch nicht: wir
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    können uns nicht so satt essen, daß wir für immer gesättigt sind.
    Im Psalm 131 betet ein Frommer: „Ich ließ meine Seele ruhig werden und still; wie ein kleines Kind bei der Mutter ist meine Seele still in mir“ (Ps 131,2). Der Beter hat offensichüich die Erfahrung gemacht, daß Gott ihn in gleicher Weise zu stillen, zu beruhigen vermag wie eine Mutter ihr kleines Kind, indem sie es an ihrer Brust stillt. Gottes Liebe kann meinen tiefsten Hunger stillen und mich daher zur wahren Stille führen. Wenn ich meinen Hunger zu Ende denke, wenn ich aufhöre, ihn immer nur kurzfristig zu stillen, mich mit Essen zuzustopfen, um ihn nicht mehr zu spüren, dann werde ich in mir einen Ort der Ruhe entdecken, an dem es ganz still ist, weil Gott selbst meine tiefste Sehnsucht stillt. Ein guter Weg dorthin ist die beständige Frage:
    „Was ist meine tiefste Sehnsucht?“ Ich lasse im Fasten meine Bedürfnisse und Wünsche hochkommen. Ich frage mich, wonach ich mich sehne. Und dann teste ich jede Sehnsucht mit der prüfenden Frage: „Ist das meine tiefste Sehnsucht? Oder wonach sehne ich mich auf dem Grund meines Herzens?“ Dann komme ich irgendwann wohl zu der Sehnsucht, die nur Gott allein zu stillen vermag. Und wenn ich mein Herz in meiner tiefsten Sehnsucht auf Gott richte, dann komme ich wirklich zur Ruhe, dann finde ich die Stille, in der mein Hunger wahrhaft gestillt wird.

    Das Leben
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