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Herzensruhe

Herzensruhe

Titel: Herzensruhe
Autoren: Anselm Gruen
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aufsteigen. Davor habe ich Angst. So
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    laufe ich vor der Stille und vor der Ruhe davon. Das Schlimmste, das mir passieren könnte, wäre, einmal der eigenen Wahrheit begegnen zu müssen. Weil ich das unter allen Umständen vermeiden möchte, muß ich immer etwas tun, mich immer mit etwas beschäftigen. So wird auch die freie Zeit zum Streß. Ich stopfe die Leere auch in der Freizeit zu mit unzähligen Aktivitäten. Solche Menschen, die ihrer Wahrheit ausweichen, sind ständig auf der Flucht vor sich selbst. Und dann klagen sie darüber, daß sie so gestreßt sind. Sie machen sich den Streß selbst. Sie können nicht zur Ruhe kommen, weil sie es im Grunde ihres Herzens gar nicht wollen, weil eine tiefsitzende Angst sie ständig herumtreibt. Der Unfähigkeit, zur Ruhe zu kommen, entspricht die Sehnsucht des heutigen Menschen, endlich einmal abschalten und ruhig werden zu können. Kurse, die Wege zur inneren Ruhe verheißen, sind überfüllt. Man erwartet von psychologischen Methoden oder von körperlichen Entspannungstechniken, daß man endlich auch die innere Ruhe findet, nach der man sich sehnt. Ruhe kann man aber nicht durch äußere Entspannungstechniken erzeugen. Sie ist Ergebnis eines spirituellen Weges. Die frühen Mönche zielten darauf ab, den Menschen in die Ruhe Gottes zu führen.
    Hesychia, das war das große Wort, das die Mönche fasziniert hat. Ja, die Mönchsbewegung wurde sogar schon seit dem 3.
    Jahrhundert Hesychasmus genannt, Weg zur inneren Ruhe. Die Ruhe, von der die Mönche schreiben, ist allerdings nicht die königlichbayerische Bierruhe, in der man sich von niemandem stören lassen will. Solche Bierruhe, in der man von allen in Ruhe gelassen werden möchte, ist eher ein sattes und starres Sich- Einlullen in einen Bierrausch, der von der Realität nichts mehr wahrnehmen möchte. Es geht den Mönchen um eine Ruhe, in der das Herz zur Ruhe kommt, in der sich die Angst beruhigt, in der man Erquickung und Regenerierung erfährt. Die Ruhe ist letztlich Erfahrung der ewigen Sabbatruhe, die Gott uns zugedacht hat. Wer Gott im Gebet und in der Meditation erfährt,
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    der wird innerlich wie äußerlich ruhig, der kommt zu sich selbst, der kommt in Einklang mit sich selbst. Der spirituelle Weg der Mönche ist für mich zugleich ein therapeutischer Weg. Die therapeutische Weisheit, die in ihren Anweisungen steckt, wird heute von vielen Psychologen neu entdeckt. Es ist für sie ein hochaktueller Weg, den wir heute genauso zu gehen vermögen wie die Menschen damals, allerdings nur dann, wenn wir ihre Weisheit auch in unsere Sprache übersetzen.
    So möchte dieses Buch den Leser einladen, sich unter den Schatten des Baumes zu setzen, den Gott selbst uns bereitet.
    Gott selbst lädt uns ein, daß wir uns im Schutz seiner Flügel bergen dürfen (vgl. PS 61,5). Er ist der Fels, in dessen Schatten wir Ruhe finden. In der Geborgenheit der göttlichen Liebe können wir es wagen, unsern Schatten auszuhalten, ohne zu erschrecken. Der Schatten „seiner Flügel“ nimmt unserem Schatten das Bedrohliche. Bei Gott sich bergen, bei Gott Heimat und Ruhe finden, in Gott zur Ruhe kommen, das ist wohl auch heute in unserer ruhelosen Zeit eine Verheißung, der es lohnt nachzuspüren.
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    I. Ursachen der Ruhelosigkeit heute
    Warum sind die Menschen heute so ruhelos? Wenn wir danach fragen, so lassen sich viele Ursachen ausmachen. Da gibt es äußere Ursachen, wie etwa die wirtschaftliche Situation oder das soziale Umfeld. Und es gibt psychische Ursachen, die dem Menschen die Ruhe rauben. Die Psychologen sprechen von neurotischer Ruhelosigkeit. Manchmal hat die innere und äußere Unruhe auch in der eigenen Lebensgeschichte ihren Grund, in traumatischen Erfahrungen, die den Menschen nicht zur Ruhe kommen lassen. Und es gibt eine krankhafte Ruhelosigkeit, die nur vom Arzt und Psychiater behandelt werden kann. Eine angemessene Zeitanalyse zu erstellen, übersteigt meine Kompetenz. Ich möchte nur ein paar Beobachtungen und Gedanken darlegen, die aus meiner Erfahrung an der Unfähigkeit zur Ruhe schuld sind. Dabei kann ich mich nicht auf Untersuchungen stützen, sondern nur auf die vielen Gespräche, die ich bei meinen Kursen immer wieder geführt habe. Aber ich hoffe, daß auch dieser begrenzte Erfahrungshorizont einige typische Zeitphänomene deutlich werden läßt.

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    1. DAS SOZIALE UND
    WIRTSCHAFTLICHE UMFELD

    Da ist einmal der wirtscha ftliche Druck, unter dem heute viele Menschen leiden, vor allem die
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