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Herzensruhe

Herzensruhe

Titel: Herzensruhe
Autoren: Anselm Gruen
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Verantwortlichen in den Betrieben. Der Wettbewerb wird im Zeitalter der Globalisierung immer härter. So kann sich der Firmenchef nicht bequem in den Sessel setzen, er muß ständig auf der Hut sein, daß er keine Marktanteile verliert, daß seine Bilanzen stimmen, daß er auf die Bedürfnisse der Zeit richtig reagiert. Und diese Bedürfnisse wechseln heute mit einer Geschwindigkeit, daß sich eine Firma nicht mehr auf den Erfolgen von gestern ausruhen kann. Sie muß immer wieder nach neuen Wegen suchen, um heute bestehen zu können. Die vielen Sitzungen, die die Manager von einem Termin zum andern treiben, leiden alle an Kurzatmigkeit.
    Es ist nicht die große Perspektive, die heute gefragt ist, sondern der schnelle Erfolg, ohne Rücksicht, was die Folgen für die Schöpfung und für die Menschen im Betrieb auf Dauer sind.
    Auch in Führungsseminaren wird auf diesen kurzfristigen Erfolg gesetzt. Das führt aber dann zu einem ständigen Umbauen der Firma, zu einem ständigen Rollenwechsel der Mitarbeiter, zu immer neuen Fortbildungsmaßnahmen. Aber vor lauter Umbauen der Strukturen kommen die Menschen nicht zur Ruhe, kann man nicht mehr mit Ruhe arbeiten.
    Der kurzfristige Erfolg wird erkauft durch die Unzufriedenheit der Mitarbeiter und durch ihre psychische und physische Ausbeutung. Die Ruhelosigkeit der Verantwortlichen setzt sich fort in einer hektischen Atmosphäre in der Firma. Der Druck wird nach unten weitergegeben. Oft scheint der Druck nur Ausdruck der Ratlosigkeit zu sein, die die Leiter umtreibt.
    Die Geschäftigkeit ist nur eine Scheinlösung. Man meint, damit eine angemessene Antwort auf die Probleme unserer Zeit zu
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    geben. Aber da man nicht die Ruhe findet, wirkliche Lösungen zu finden, erzeugt man nur immer mehr Ruhelosigkeit bei allen Mitarbeitern. Immer weniger wissen einen Ausweg aus dem Teufelskreis der Hektik.
    Dazu kommt eine äußere Mobilität, die unsere Gesellschaft prägt. Wer heute Arbeit finden will, muß mobil und flexibel sein. Er muß bereit sein, öfter seinen Wohnsitz zu wechseln. So aber kann er nirgends einwurzeln und nirgendwo zur Ruhe kommen. Man braucht nur einmal den Verkehr auf den Autobahnen zu beobachten, um die Ruhelosigkeit zu erspüren, die unsere Gesellschaft prägt. Zur Mobilität in bezug auf den Arbeitsplatz gehört der Drang, zu allen möglichen Ereignissen fahren zu müssen. Gerade die Freizeit verbringen viele nicht in ihrer Heimat. Sie müssen erst hinaus fahren ins Grüne oder gar in ferne Gegenden fliegen, um Freizeit zu genießen. Aber die Freizeit ist nicht von Ruhe geprägt, vielmehr von Hektik und Unruhe. Da gibt es den Animateur, der die Urlauber ständig auf Trab hält, oder den Entertainer, der uns davor bewahrt, mit uns selbst in Berührung zu kommen. Denn er hält ständig etwas zwischen uns und unsere Seele. Da verkommt die Freizeit zu einem ständigen In-Bewegung-Sein. Und so kommen die Urlauber nicht erholt nach Hause, sondern gestreßt. Das letzte Stück Erholung, das sie vielleicht mitbringen, geht in den Rückreisestaus auf den Autobahnen verloren.
    Geschäftigkeit als Ausdruck der Ziellosigkeit Wenn ich einmal im Urlaub durch die Fußgängerzone Münchens gehe, so erlebe ich da nur geschäftige Menschen. Sie eilen von einem Geschäft zum andern. Ja selbst die Touristen scheinen voller Hektik zu sein. Mark Twain meint, die Geschäftigkeit unserer Zeit sei Ausdruck der Ziel- und Orientierungslosigkeit: „Als sie das Ziel aus den Augen verloren, verdoppelten sie ihre Anstrengung.“ Wer ein Ziel vor Augen hat, der geht konsequent darauf zu, ohne sich ständig anzutreiben. Wer das Ziel nicht mehr kennt, der versucht, seine
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    innere Leere mit Aktivismus auszufüllen. Er kommt sich wichtig vor, weil er soviel zu tun hat. Er will sich beweisen, daß sein Leben sinnvoll ist. Er ist doch ständig mit Wichtigem beschäftigt. Doch wenn er es genauer anschaut, ist es oft Luft, mit der er sich beschäftigt. Mit seiner Beschäftigung möchte er nur die Leere überdecken, die hinter seiner Hektik als gefährlicher Abgrund lauert. Paul Virilio hat diese Erfahrung in die Worte gekleidet: „Die Geschwindigkeit ruft die Leere hervor, die Leere treibt zur Eile.“ Je geschäftiger einer ist, desto mehr entsteht in ihm eine Leere. Und diese Leere versucht er wiederum, mit hektischer Betriebsamkeit zu füllen. So entsteht ein Teufelskreis, aus dem er nicht mehr ausbrechen kann.
    Unsere Zeit ist von diesem Teufelskreis von Hetze und Leere
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