Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Herzensjunge

Titel: Herzensjunge
Autoren: Carmen Korn
Vom Netzwerk:
Erst als er sagt: »Das verspreche ich«, ist seine Stimme wieder lauter.
    »Sind sie einverstanden?«, fragt Lenas Vater, als Andreas hereinkommt.

    Andreas nickt. »Ich habe mit meiner Mutter gesprochen«, sagt er.
    Da hat er Glück gehabt. Mit Papa wäre es schwieriger gewesen.
    »Du sollst gleich nach Hause kommen, Schwesterlein«, sagt Andreas, »und putz mir meine Schuhe, sonst tut der Nikolaus nichts hinein.«

86
    Als sie in Steffens alten Volvo steigen, fange ich doch an zu heulen. »Jan geht es gut, Schwesterlein«, hat Andreas gesagt. »Er traut sich nur wieder nicht, seinen Vater alleinzulassen.«
    »Dann hätte er aber angerufen«, sage ich, schon mit einem Kloß im Hals.
    Ich winke ihnen nach, bis das Auto abbiegt, und gehe dann schweren Herzens nach Hause. Nur Mama und Adrian sind da. In Papas Schule wird heute das Weihnachtsmärchen aufgeführt.
    Die beiden stehen in der Küche und putzen Adrians Schuhe. Bei uns kommt der Nikolaus über den Balkon. Darum werden die Schuhe vor die Balkontür gestellt. Von mir aus könnte das heute ausfallen.
    »Setz dich zu uns«, sagt Mama, »ich mache dir gleich einen Kakao.«
    »Hat dir Andreas alles erzählt?«
    »Er hat gesagt, dass ihr euch Sorgen um Jan macht«,
sagt sie. »Darüber hätten wir doch schon früher sprechen können.«
    »Es hat sich so zugespitzt«, sage ich.
    Mama legt die Schuhbürste hin und nimmt mich in die Arme.Adrian guckt mit großen Augen. Er kann sich nicht vorstellen, dass es heute Abend etwas Wichtigeres gibt als das Kommen des Nikolauses.
    »Meine große Kleine«, sagt Mama, »dass die Liebe so schwer für dich anfängt. Das habe ich dir nicht gewünscht.«
    »Verstehst du denn, dass ich Jan so liebe?«, frage ich.
    Mama lächelt. »Natürlich. Am liebsten würde ich ihn auch gleich mit in die Arme nehmen«, sagt sie. »Der arme Junge.«
    »Weißt du von dem Vorwurf, den sie seinem Vater machen?«
    Mama schüttelt den Kopf. Doch sie gibt mir ein Zeichen, es später zu erzählen, denn Adrian spitzt schon die Ohren. Hoffentlich haben wir Gelegenheit dazu, solange Papa noch nicht da ist. Ich mag jetzt keine mahnenden Worte hören.
    Ich nehme das Telefon und gehe in mein Zimmer, um Oma anzurufen und ihr alles zu erzählen. Sie versucht, mich zu trösten, doch ich höre ihrer Stimme an, dass sie selbst erschrocken ist. Ich verspreche ihr, mich zu melden, sobald ich was von Andreas höre.
    Sie werden noch eine Weile unterwegs sein. Lenas Vater meinte, es seien etwa zwei Stunden bis nach Husum.
    Das Telefon stecke ich in die Tasche meiner Strickjacke. Ich werde es an meinem Körper lassen, bis ich von ihnen gehört habe.

    In der Küche stelle ich mich zu Mama und Adrian und fange an, meine Sneaker aus dunkelbraunem Leder zu putzen. Lustlos. Doch ich werde den Brauch wahren. Ich gucke in die Schuhkammer und suche nach Andreas’ Lederschuhen. Er wird sie wohl an den Füßen haben, denn ich finde sie nirgends. Ich entscheide mich für seine knöchelhohen Chucks, da geht am meisten hinein. Der grau-braun karierte Stoff sieht sauber aus. Ich bürste ein bisschen am grauen Gummirand herum.
    Mama guckt mir über die Schulter. »Ich hoffe, der Nikolaus hat genügend Süßigkeiten für knöchelhohe Schuhe in Größe 44«, sagt sie.
    Adrian zieht ab, um in die Badewanne zu gehen.
    Ich erzähle Mama alles. Sie ist ziemlich erschüttert.
    »Wirst du es Papa erzählen?«, frage ich.
    Sie zögert. »Eigentlich hatte ich vor, keine Eiertänze mehr zu machen«, sagt sie, »doch ich denke, diesmal konfrontiere ich ihn nicht gleich mit der ganzen Wahrheit. Nicht gerade heute Abend.«
    »Und wann fängst du an,Wiener Schnitzel zu braten?«, frage ich.
    Mama guckt mich an. »Das weißt du?«, fragt sie verlegen. »Heute Abend gibt es Gemüsesuppe. Sie steht schon auf dem Herd. Ich habe Würstchen da, für jeden, der will.«
    »Andreas kommt sicher spät«, sage ich.
    »Das fürchte ich auch«, sagt Mama. »Ich hoffe, er bringt gute Nachrichten mit.«
    Kurz darauf klingelt das Telefon in der Tasche meiner Strickjacke. Doch es ist nur Hanna, die auch keine Neuigkeiten hat.

87
    Ich liege angezogen auf dem Bett. Papa und Mama sind in der Küche. Adrian schläft. Es ist schon nach elf. Ich zittere, als ich den grünen Knopf drücke.
    »Tut mir leid, dass wir so spät anrufen, Schwesterlein.«
    Ich halte den Atem an.Was wird Andreas sagen?
    Die Tür zu meinem Zimmer geht auf und Mama guckt hinein.
    »Habt ihr ihn gefunden?«, frage ich.
    »Erst einmal nur Jens
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher