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Herzensjunge

Titel: Herzensjunge
Autoren: Carmen Korn
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Schmerzensgeld von diesen Käseblättern. Franziska scheint das anders zu sehen. Die kichert schon wieder.
    »Und das ist jetzt in der ganzen Klasse rum?«, frage ich.
    »In der ganzen Schule«, sagt Franziska, »warum, glaubst du denn, hat die König heute die Zettel wegen der Handys verteilt?«
    »Und weißt du, warum Hanna nicht in der Schule war?«, frage ich.
    »Weil es ihr megapeinlich ist«, sagt Franziska, allwissend, wie sie ist. »Kalli ist seit vorgestern nicht da. Hab
gehört, seine Eltern wollen ihn auf eine andere Schule schicken.«
    Ich sinke in mich zusammen. Dass ich von alldem nichts gewusst habe.
    »Scheint nicht mehr weit her zu sein mit bester Freundin, wenn dir Hanna nichts erzählt hat«, sagt da auch schon Franziska und stößt mir damit einen silbernen Dolch in die offene Wunde.
    Warum ist Hanna gestern bloß nicht ins Balzac gekommen? Hat sie Fußfesseln? Nein. So sind Hannas Eltern nicht. Sauer werden die schon sein, doch Stubenarrest halte ich für wenig wahrscheinlich. Ich atme auf, als Franziska in Richtung Bushaltestelle geht. Ich könnte auch eine Station fahren, doch ich laufe lieber. Dann habe ich mich ein bisschen abgeregt, bevor ich bei Hanna ankomme, und falle nicht gleich über sie her in meiner Enttäuschung. Erst einmal den Kopf kühlen, sagt Papa immer. Ich wette, Hanna hat mir längst alles erzählen wollen.

5
    Ich liege auf dem Bett und drücke meinen Bären an mich und denke, dass das Leben leichter war, als wir zwölf waren. Scheint mir schon endlos lang her zu sein. Tja. Der Besuch bei Hanna.Wie war der?
    Sie hat mir die Tür aufgemacht und gleich angefangen zu heulen. Ihre Mutter war nicht zu Hause und wir
sind in die Küche gegangen und haben uns an den Tisch gesetzt. Da stand noch ein Teller mit einer trockenen Scheibe Toast. Die hat Hanna dann auseinandergezupft.
    Erst einmal hab ich mich geärgert. Als ich den Grund erfuhr, warum sie mich gestern im Balzac versetzt hatte. Weil Kalli ganz überraschend vorbeigekommen war, gerade als sie aufbrechen wollte. Dass Hannas Eltern ihn überhaupt noch in die Wohnung lassen! Ich saß da am Küchentisch und stellte mir vor, wie Kalli stattdessen davongejagt worden wäre. Draußen herrscht tiefe Dunkelheit, der Sturm tobt und es schüttet vom Himmel und er wird davongejagt. Ich gestehe, die Vorstellung gefiel mir. Dabei war es natürlich um vier Uhr nachmittags noch hell und gestürmt und geregnet hat es auch nicht.
    Er hat Hanna doch alles eingebrockt. Heftig, so an ihr herumzumachen, und das auf einer Party! Gut. Da gehören zwei zu. Jungen sind bei so was aber aggressiver. Oder? Hanna stellte sich taub, als ich mit ihr darüber sprechen wollte, und dann hat sie tatsächlich gesagt, ich hätte ja keine Ahnung. Das hat wehgetan.
    Hanna tat ganz schön überlegen, wenn ich es mir so überlege.Trotz der Heulerei, die sie zwischendurch immer wieder überkam.Als sei sie eine erfahrene Frau und ich ein Kleinkind. Dabei wird sie erst im März vierzehn und ich schon im Januar. Ich bin auch längst kein BMW mehr. Das hat Max im Sommer zu mir gesagt, als ich mein Trägertop anhatte.
    »Da kommt ja unser BMW.«
    Hanna hat mich dann darüber aufgeklärt, was das bedeutet. Brett mit Warzen. Ist mir jetzt noch peinlich, wenn ich nur daran denke.

    Aber Hannas Filmchen ist peinlicher. Kein Zweifel. Ihre Eltern wollen auch noch mit dem Hagen sprechen, unserem Klassenlehrer. Um Hannas Ruf wiederherzustellen und weil sie Angst haben, dass jetzt ein Mobbing losgehen könnte. Bei der Truppe, die sich um Franziska schart, kann ich mir das gut vorstellen. Ich habe ihr dann gesagt, dass sie sich auf mich hundertpro verlassen kann. »Das ist lieb von dir,Toni«, hat sie gesagt. Doch ich werde das Gefühl nicht los, dass ihr das gar nicht wichtig ist. Ich bin nicht mehr der wichtigste Mensch in ihrem Leben. Ich fürchte, Kalli ist es.Trotz allem.
    Nun liege ich hier angezogen auf meinem Bett und gucke auf das Kinoplakat, das ich vor Kurzem an die Wand gepinnt habe. »Wie ein einziger Tag« heißt der Film. Handelt von einer großen Liebe, die nicht standesgemäß ist. Die Heldin ganz wohlhabend und der Junge arm. Noah heißt er und wird von Ryan Gosling gespielt. Der ist so süß.
    Ich gucke auf das Poster, und da durchzuckt es mich plötzlich, und ich denke an den Jungen, mit dem mein großer Bruder sich getroffen hat. Obwohl Ryan Gosling keine dunklen Locken hat und eine Schirmkappe trägt statt einer Mütze, springt mir die Ähnlichkeit nur so
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