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Herzensjunge

Titel: Herzensjunge
Autoren: Carmen Korn
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Schule abgebrochen hat und Schauspielerin werden will. Doch er braucht sich keine Sorgen zu machen, dass das auf Andreas abfärbt. Der ist ein Musterschüler. Papa war auch einer, sagt Oma. Darum ist er wohl Lehrer geworden.
    Andreas dreht sich um und sieht durch die Fensterscheibe und mir genau ins Gesicht. Ich gebe ihm ein Zeichen, dass er hineinkommen und sich zu mir setzen soll. Nur nicht länger allein hier hocken. Ich sehe aus wie bestellt und nicht abgeholt. Bin ich ja auch.
    »Wer hat dich versetzt, Schwesterlein?«, fragt Andreas, als er vor mir steht.
    »Bloß Hanna«, sage ich und staune meiner blöden Antwort hinterher.
    Doch mein großer Bruder schaut schon wieder auf
die Straße hinaus. Die Bushaltestelle ist nur ein paar Meter weiter und der Sechser fährt gerade vor und spuckt eine Menge Leute aus.
    »Und auf wen wartest du?«, frage ich.
    Da läuft er schon wieder aus der Tür, und ich sehe ihn auf jemanden zugehen, den ich nicht kenne. Ein Junge. Klare Oberstufe. Groß. Er hat eine Mütze auf. Aus der Mütze quellen dunkle Locken. Mein Bruder und er gehen davon.Was war das nun wieder?
    Ich stehe auf und verlasse das Balzac . Hab mich noch nie so verloren gefühlt in meinem liebsten Coffeeshop. Hanna kommt sicher nicht mehr. Hinten in der Gertigstraße laufen Andreas und der Junge mit der Mütze. Irgendwie ist mir auf einmal komisch zumute.

4
    Hanna ist nicht in der Schule. In der ersten Stunde fragt Herr Hagen nach ihr. Sie hätte ein Referat in Deutsch halten sollen. Alle schauen mich an, als sei ich Hannas Hüterin. In der Reihe vor mir kichern sie.
    Ich kann mir keinen Reim drauf machen.Weder auf Hannas Abwesenheit noch auf das Gekicher. Ich habe Hanna gestern Abend anrufen und fragen wollen, wo zum Kuckuck sie gewesen ist, was sie Besseres zu tun hatte, als mit mir im Balzac zu sitzen und Karamellmilch zu trinken, doch dann beschloss ich, beleidigt zu sein und gar nichts zu tun.

    Kurz vor Ende der Stunde kommt die Direktorin in die Klasse, und mir stockt der Atem, und ich habe schreckliche Angst vor dem, was sie zu sagen hat. Lieber Gott, lass nichts mit Hanna sein. Ist das vorstellbar?
    Hätte ich das nicht längst erfahren? Doch es geht nur um das Handyverbot, und die Direktorin lässt Zettel da, die wir von den Eltern unterschreiben lassen sollen. Ist wieder eines geklaut worden oder was soll der Zirkus? Ich werde nach der Schule auf jeden Fall zu Hanna nach Hause gehen. Sie wird wohl nicht einfach nur schwänzen und mit Kalli auf dem Sofa sitzen.
    »Du lebst ja echt im Tal der Ahnungslosen«, sagt Franziska auf dem Weg in die Pause, als ich sie nach Hanna frage.
    »Dann kläre mich doch bitte mal auf«, sage ich. Doch das hat nur wieder ein allgemeines Gekicher zur Folge. »Hattest du nicht auch mal ein Handy?«, fragt Franziska. Hatte ich. Ein olles Ding, das bei Oma übrig geblieben war und sich leider verabschiedet hat. Papa ist gegen Handys. Manchmal lebt er hinter dem Mond.
    »Brauche ich ein Handy, um mir euer Gekicher zu erklären?«, frage ich.
    Franziska zeigt mir kurz ihr neues Nokia und lässt es gleich wieder in ihre Jeanstasche verschwinden. »Nachher«, sagt sie, »viel zu heiß hier.«
    Ich hasse das, nicht eingeweiht zu sein. Komme mir immer gleich ungeliebt vor. Ausgestoßen. Doch aus Franziska ist nichts mehr rauszukriegen. Sechs Stunden noch, bis wir hier freigelassen werden.Wie soll ich das aushalten im Tal der Ahnungslosen?
    Nach Ende der Achten trödele ich und schaffe es,
neben Franziska aus der Tür zu kommen, die immer ewig braucht, bis sie ihren Kram gepackt hat. Sie grinst und legt einen Schritt zu. Erst auf der Straße holt sie ihr Handy hervor und drückt darauf herum. Dass sie das derart schnell kann mit den schweren Silberringen, die sie an den Fingern hat. Und dann kriege ich ein Filmchen auf dem Display zu sehen. Ein Junge, der an einem Mädchen herumknutscht. Er hängt an ihrem Hals, als sei er Dracula. Ich erkenne erst in der nächsten Sekunde, dass es Hanna und Kalli sind. Haben die das zugelassen, dabei gefilmt zu werden? Wo ist das überhaupt? Kommt mir irgendwie bekannt vor, diese Sitzlandschaft.
    »Das hat einer von den Zehntklässlern auf einer Party aufgenommen«, sagt Franziska. »Die waren so beschäftigt miteinander, die haben nicht mal gemerkt, dass sie gefilmt worden sind.«
    Wie finde ich denn das? Fies finde ich das. Was ist denn überhaupt mit Persönlichkeitsrechten? Da klagt die Caroline von Monaco doch auch immer und kriegt dann
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