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Herzen aus Asche

Herzen aus Asche

Titel: Herzen aus Asche
Autoren: Narcia Kensing
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Amelie keine Anstalten machte, seiner stummen Aufforderung folge zu leisten, knurrte er, mac hte eine Handbewegung und ließ der Deckel der Truhe von Geisterhand aufspringen. Amelie sah nur für den Bruchteil einer Sekunde auf deren Inhalt, ehe sie den Kopf ruckartig abwandte. Sie wusste auch so, was sich darin befand. Sie hatte einen flüchtigen Blick auf einen blassen Arm erhascht. Sara. Das Monster hatte ihre beste Freundin getötet, und mit ihrem Blut ein groteskes Bild an die Wand gemalt. Amelie würgte. Doch in ihrem Magen befand sich nichts. Jäh spürte sie, wie eine Hand in ihre Haare griff und ihren Kopf nach hinten zog.
    »Ein Geschenk habe ich noch für dich, und ich werde es dir zeigen, ehe ich dich ebenfalls von deinen Qualen erlöse.« Seine Stimme klang mit einem Mal unmensc hlich, irgendwie jenseitig. Sie fand ihr Echo an den Wänden.
    Mit einer weiteren Handbewegung fiel ein Vorhang. Amelie hatte zuvor nicht bemerkt, dass der kleine Erker an der Stirnseite des Dachbodens verhangen g ewesen war. Tageslicht strömte jäh durch die schmalen Fenster und tauchte den Raum in fahles Licht. Von der Decke des Erkers hing der leblose Körper eines Mannes. Jemand hatte einen Fleischerhaken in die Decke getrieben und ihn an seiner Halskette daran aufgehängt, der schmale Lederriemen hatte sich tief ins Fleisch seiner Kehle gebohrt. Die Augen des Mannes waren weit geöffnet, ebenso der Mund.
    » Seh ich zittern im Wind den Gehenkten am Holz, so ritze ich und Runen färb ich, dass der Recke reden kann und vom Galgen geht. War das nicht Bedeutung der Rune an seiner Kette?« Loan verstärkte den Griff in Amelies Haare, doch sie spürte den scharfen Schmerz kaum, als Loan ihr dabei eine Strähne herausriss.
    »Er wird definitiv nicht vom Galgen gegen, und seine Rune konnte ihn nicht schützen. Jetzt baumelt er an seiner Kette von der Decke, zu schade. Er hat sich immer darüber aufgeregt, dass sich so viele Menschen aus einer Mode heraus dem nordischen Götterglauben verschreiben, ohne wirklich zu wissen, worum es dabei geht. Er hat selbst keine Ahnung gehabt. Und ich schwöre dir, er wird an keiner Tafel in Walhall sitzen. Ganz sicher nicht.«
    Jäh ließ er Amelie los. Sie fiel auf die Knie. Auf ihren Lippen formte sich ein wortloser Schrei. Sie fühlte sich schuldig, schuldig an allem. Ihre Mutter und ihre Freu nde hatten sterben müssen, weil Amelie ihre Neugier nicht hatte stillen können. Sie hätte sich nie darauf einlassen, hätte Leif nie an sich herankommen lassen dürfen. Sie hatte sie alle getötet, ihretwegen haben Unschuldige ihr Leben geben müssen.
    Amelie schluchzte und zitterte. Lange kauerte sie in gekrümmter Haltung auf dem Boden. Als sie den Kopf schließlich hob, war Loan verschwunden. Es war vol lkommen still im Haus, bis auf das Knistern und Ächzen von zerfallenden Möbeln und Dachbalken. Es schien, als würde das Haus wanken. Amelie kroch auf allen Vieren zur Luke zurück. Sie schob ihre Beine über den Rand und ließ sich langsam auf die oberste Stufe hinab, doch ihre Muskeln waren zu schwach, um sie zu halten. Sie rutschte ab, fiel herunter, stieß sich abermals den Kopf und landete unsanft auf dem Parkettboden des ersten Stockwerks. Die maroden Stromleitungen surrten, die Glühbirnen flackerten. Amelie lag auf der Seite, unerträgliche Schmerzen sowohl ihres Körpers als auch ihrer Seele hinderten sie daran, sich aufzusetzen. Hinter ihr löste sich die herabgelassene Treppe in Wohlgefallen auf, Asche legte sich auf ihre Kehle und veranlasste sie zu husten. Sie wäre gerne gestorben, jetzt und hier, doch der Tod wollte sich nicht einstellen.
    Am Rande ihrer Wahrnehmung hörte sie Schritte auf der Treppe, die ins erste Stockwerk führte. Ein Beinpaar schob sich in ihr Blickfeld. Eine blaue Jeans, weiße Sne akerturnschuhe. Hatte Loan wieder die Kleidung gewechselt? Amelie wollte den Mund öffnen, um ihn anzuflehen, sie zu töten, aber kein Laut kam über ihre Lippen.
    Jemand beugte sich zu ihr hinab, aber es war nicht Loan. Das hassverzerrte G esicht von Jarik tauchte vor ihr auf. Seine Wangen waren eingefallen, er wirkte um Jahre gealtert. Am meisten schockierte sie jedoch das abgrundtief böse Glühen in seinen Augen. Jarik hielt ein Küchenmesser in der rechten Hand, er hielt es neben seinen Kopf, bereit, zuzustechen. Obwohl Amelie sich den Tod wünschte, machte ihr Herz dennoch einen Sprung. Adrenalin schoss in ihre Blutbahn, und sie schaffte es, sich mit einer ruckartigen Bewegung
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