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Herz und Fuß

Herz und Fuß

Titel: Herz und Fuß
Autoren: Anne Bax
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umstrickten Bowlingkugeln erzeugten bei ihrer kurzen Reise ins Plastik einen leisen Ton im Raum, der aus allen Kehlen gleichzeitig erklang. Rose-Lotte weinte still.
     
    Vier große Säcke später war die Truhe leer. Der süßliche Geruch war viel stärker geworden und ich hatte bei manchem Griff gefühlt, wie das tauende Fleisch unter der Wolle leicht nachgegeben hatte.
     
    Ich fuhr den Kombi leise rückwärts an den Eingang und schleppte mit Irene die vier schweren Säcke ins Auto. ErzEngel und Rose-Lotte stiegen auf den Rücksitz und Irene setzte sich wieder neben mich.
     
    Es war 2.34 Uhr.
     
    Wir fuhren schweigend die dunklen Straßen entlang. Immer wieder drängte ein Geruch von feuchter Wolle und Verwesung in meine Nase.
     
    »Riechst du das auch?« Ich flüsterte in Irenes Richtung.
     
    »Wir riechen das alle, Otter. Mach doch dein Fenster ein bisschen auf.«
     
    »Leichter gesagt als getan.« Ich fuchtelte blind in der Region meiner Tür herum, in der ich den elektrischen Fensterheber vermutete.
     
    »Lass mich.« Irene beugte sich weit über mich und drückte schließlich auf den gesuchten Knopf. Mit der anderen Hand stützte sie sich währenddessen auf meinem Oberschenkel ab. Und sie ließ ihre Hand auch dort liegen, als sie sich wieder aufgerichtet hatte. Mein Oberschenkel wurde warm und kribbelte. So würde ich alles ertragen.
     
    »Hast du vielleicht auch eine Ahnung, wie ich Wasser auf diese Scheibe bekomme?« Ich betätigte probeweise die Lichthupe.
     
    Und sah deshalb die gelben Lichter in der Ferne plötzlich sehr deutlich.
     
    Die gelben Lichter, die die Straße in die Einspurigkeit zwangen.
     
    Hin zu der wartenden Gruppe gut beleuchteter Polizisten, die um 2.37 Uhr eine allgemeine Verkehrskontrolle durchführten.
     
    »Verdammt. Verdammt. Verdammt.« Ich wurde vorschriftsmäßig langsamer und reihte mich hinter dem Wagen vor mir ein. Im Auto war es sehr still. Irene presste mir mit der Hand das Blut aus dem Oberschenkel. Rose-Lotte schluchzte.
     
    Der Wagen vor mir fuhr langsam an und rollte auf das leuchtende Polizistenspalier zu. Ich konnte sehen, wie einer der Beamten um den Wagen herumging und hineinleuchtete, während ein anderer dem Fahrer Fragen stellten.
     
    »Mach das Fenster weiter runter. Mach alle Fenster runter!« ErzEngel hatte recht. Ich ließ mit Irenes Hilfe alle Scheiben hinab. »Wenn er danach fragt, sag, uns ist schlecht geworden. Wir hatten Klassentreffen. Es gab viel zu trinken. Das da hinten im Heck sind Gartenabfälle. Los fahr.«
     
    Ich sah erst jetzt, dass der Wagen vor mir verschwunden war und die Beamten mich ungeduldig näherwinkten.
     
    »Guten Morgen, allgemeine Verkehrskontrolle, Grodens mein Name, Führerschein und Fahrzeugpapiere bitte.« Der Schein der Taschenlampe tanzte durch den Wagen. Ich roch unsere grüne Fracht stärker als zuvor und mir wurde schlecht. Ich hatte keinen Fahrzeugschein. Helmut hatte mir seinen Fahrzeugschein nicht gegeben. Irene lächelte den Beamten an und ich zog aus diesem Lächeln die Energie, um mein geschocktes Gehirn wieder in Betrieb zu nehmen. Denk nach! Ich nutzte die Zeit, die ich brauchte, um den Führerschein aus der Jackentasche zu ziehen, um genau das zu tun. Helmut war ordentlich, Helmut hasste Taschen. Helmut war allzeit bereit. Versuchsweise klappte ich den Sonnenschutz an der Fahrerseite hinab und hätte vor Glück fast geweint, als ich das gut gefaltete Dokument genau da in einer kleinen Klappe stecken sah. Der Polizist nahm beides entgegen, während er sich in den Wagen beugte und weiter Fragen stellte.
     
    Nein, ich hatte nicht getrunken.
     
    Nur die Damen hinter mir sollte niemand mehr ans Steuer lassen, weshalb ich mir das Auto geliehen hatte, um sie von ihrem feuchtfröhlichen Klassentreffen abzuholen.
     
    ErzEngel strahlte den Beamten an und ließ ihn wissen, dass er ein fescher junger Mann sei. Ihn ließ das gleichgültig und er verglich weiter meine Daten miteinander.
     
    »Einen Moment, bitte«, sagte er dann und ging zu seinem Fahrzeug. Sein Kollege blieb handlungsbereit an unserem hinteren Reifen stehen.
     
    »Sie überprüfen, ob der Wagen als gestohlen gemeldet ist.« ErzEngel kannte sich natürlich aus.
     
    Wir warteten.
     
    Der laue Wind der Herbstnacht verteilte den süßlichen Geruch aus dem Heck spielerisch unter unseren Nasen. Irene tippte mit den Fingern auf das Handschuhfach. Ich wagte es nicht, sie anzusehen. Es war 02.41 Uhr. Der Polizist kam jetzt ganz langsam zurück und
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