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Herz und Fuß

Herz und Fuß

Titel: Herz und Fuß
Autoren: Anne Bax
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wenigstens das richtige Licht angeschaltet hatte. »Sie hat absichtlich wenig getrunken und viel in der Sonne herumgestanden, um die nötigen Symptome aufzuweisen. Aber nein, verwirrt war sie zu keiner Zeit. Das war hohe Schauspielkunst. Sie hatte sich einfach entschlossen, Rose-Lotte zu helfen, ohne mich ins Vertrauen zu ziehen und anders hätte sie ihr langes Ausbleiben nicht entschuldigen können. Sie haben die ganze Nacht die Teile umgeschichtet, den Boden gewischt und geredet. Erschöpft war sie schon.«
     
    Irene verdaute diese Nachricht schlechter als die vorangegangene Enthüllung, dass der geheimnisvolle Strumpfmörder eine unglückliche Rentnerin und die Morde simple Unfälle mit Alkohol waren. »Du hast dir diese ganzen Sorgen gemacht und sie hat das passieren lassen. Das ist nicht in Ordnung!«
     
    Ich legte meine Hand auf ihre und sie ließ ihre Finger zwischen meine gleiten. Das war so wunderbar, dass ich an den nächsten Kreuzungen wieder mit dem Scheibenwischer blinkte. Und mich danach ganz aufrichten musste, um über das dichte Schmierband, das sich wie eine schmutzige Schärpe über die Scheibe gelegt hatte, hinwegzusehen.
     
    »Es ist nicht in Ordnung, aber es war nötig. Und wenn du Rose-Lotte näher kennst, dann wirst du verstehen, warum wir ihr helfen müssen.«
     
    Irene drückte meine Hand. »Und die Rosen waren also wirklich für dich?«
     
    Ich nickte schuldbewusst.
     
    »Das Gedicht dann ja wohl auch?«
     
    »Ja, das auch.«
     
    Sie musterte mich und da ich gerade abbog, konnte ich nicht sehen, mit welchem Gesichtsausdruck sie das tat.
     
    »Ich kann sie verstehen. Ich suche schon seit Tagen nach tiefroten Rosen, die ich dir schicken kann.«
     
    Sie beugte sich zu mir und biss mir ganz leicht ins Ohrläppchen, was mich spüren ließ, dass auch meine Ohren ans neue, innere Breitbandnetz angeschlossen waren.
     

Es war genau 02.00 Uhr,
     
    als wir in der tristen Straße vor dem grauen Haus hielten. Es war 02.07 Uhr, als ich mit ErzEngel, Rose-Lotte und Irene im Licht einer Taschenlampe vor der Truhe stand. ErzEngel hatte entschieden, dass es klüger war, nicht mit zu hellem Licht die Aufmerksamkeit der Nachbarn zu erregen. Ich war mir nicht sicher, ob nicht der huschende Schein der Lampe einen zufälligen Beobachter viel mehr interessieren würde, griff aber nicht ein. Irene war blass geworden, als sie die Wohnung, die Strickwaren und schließlich den Schuppen gesehen hatte, und ich fragte mich, wie viele Frauen wohl eine solche erste Nacht mit ihrer jungen Liebe verbrachten.
     
    »Es wird Zeit. Wir müssen die Truhe jetzt öffnen.« ErzEngel machte sich daran, einen der beiden Pflastersteine näher zum Rand zu ziehen, und Rose-Lotte stöhnte wieder auf. Das hatte sie schon getan, als sie Irene vor ein paar Minuten an meiner Hand entdeckt hatte.
     
    ErzEngel war sofort an ihrer Seite gewesen. »Ich weiß, dass das wehtut, Rose-Lotte, aber das ist Charlys große Liebe. Ich habe dir das doch erklärt.«
     
    Wie schön, dass man meine Gefühle schon in aller Öffentlichkeit besprechen konnte.
     
    Irene hatte mich fragend aber glücklich angesehen.
     
    »Ich habe es ihr nicht gesagt.« Hatte ich mich entschuldigt.
     
    »Das musste sie nicht.« Meine Mutter hatte Irene an sich gedrückt. »Schön, mal eine Schwiegertochter zu haben, die ich auch sehen kann. Ich hatte schon beinahe die Befürchtung, dass sie sich dieses Lesbischsein nur einbildet.«
     
    »Mutti, so weit sind wir noch nicht.« Mir war nichts anderes übrig geblieben, als Irene und Rose-Lotte abwechselnd ein beruhigendes Lächeln zuzuwerfen.
     
    Das tat ich jetzt wieder und zog mit ErzEngel gemeinsam die Steine vom Deckel.
     
    »Wir müssen das jetzt ein für alle Mal hinter uns bringen. Also los. Eins. Zwei. Drei.« Ich schob mit meiner Mutter gemeinsam den Deckel nach oben und schaute in das eisige Grün. Da lagen sie, die fein geteilten Überreste des seligen Herrn Stein und seines unbekannten Saufkumpanen. Ganz obenauf der von Presse und Öffentlichkeit so dringlich herbeigesehnte vierte Fuß. Es roch ein kleines bisschen süßlich und an manchen Stellen war eine weißliche, wässrige Schicht auf der Wolle zu sehen.
     
    »Weiter!«
     
    ErzEngel begann die sorgfältig umstrickten Teile aus der Truhe zu heben. Irene hielt tapfer nacheinander die Tüten auf und ich legte sie vorsichtig hinein. Ein Fuß, vier Hände und jede Menge Strickpakete, die ich nicht zu identifizieren wagte. Die zwei besonders dick
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