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Herz im Spiel

Herz im Spiel

Titel: Herz im Spiel
Autoren: Sally Cheney
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das Bild, das das Mädchen in seinem dunklen Kleid inmitten des von Lichterglanz erfüllten Raums abgab, in sich aufzunehmen. Ja, sein erster Eindruck verstärkte sich. In dem grünen Kleid erinnerte sie ihn noch stärker an eine Dschungelkatze. „Ich sehe jetzt, dass ich es hätte tun sollen.“
    „Ach nein. Sie schauen wunderbar aus.“ Sanfte Röte stieg Marianne in die Wangen.
    „Nun, dann wollen wir einander bei einem Teller Suppe weiter bewundern. Ich nehme doch an, dass Sie hungrig sind?“ Mr Desmond trat zum Tisch und schwang die kleine Silberglocke, die neben einem der Teller stand, offensichtlich seinem Platz. Mrs River kam sogleich.
    „Wir sind hungrig, Mrs River. Übermitteln Sie Mrs Rawlins meine Entschuldigung dafür, dass ich zu spät komme, und lassen Sie bitte das Abendessen sofort auftragen.“
    Desmond rückte Marianne einen Stuhl zurecht, und sie setzte sich. Zwei Schalen klarer Brühe wurde aufgetragen. Danach wurden die Schüsseln abgeräumt und durch Teller, auf denen schmale Scheiben Rindfleisch und heißes, gemischtes Gemüse lagen, ersetzt. Aber sie hätte nicht beschwören können, dass sie etwas zu sich nahm.
    Das Einzige, das ihr von der Mahlzeit im Gedächtnis blieb, waren Mr Desmonds tief liegende Augen, die sich, wenn man das Glück hatte, ihm sehr nahe zu kommen, als dunkelgrau herausstellten, und seine sanfte, leise Stimme, die einen merkwürdigen Bann auf sie ausübte. Er erzählte von exotischen Weltgegenden, Ländern, von denen sie nie zuvor gehört hatte. Er zitierte Stellen aus der Literatur, Worte voller Leidenschaft, die ihr das Blut in die Wangen steigen ließen.
    Die Uhr schlug zehn.
    Er sagte ihr, dass sie in ihrem Kleid, und so, wie sie das Haar trug, bezaubernd aussehe.
    Die Uhr schlug elf.
    Fünf Minuten später schlug sie zwölf.

    „Hören Sie doch, wie still es ist“, flüsterte Desmond und neigte lauschend den Kopf. „Das Haus ist so solide gebaut, dass es nachts nicht einmal knackt. Und alle Dienstboten sind zu Bett gegangen, sogar Mrs River. Früher habe ich manchmal geglaubt, Mrs River lege sich überhaupt nie schlafen.“ Desmond lächelte und stand auf. „Lassen Sie uns ihrem Beispiel folgen“, meinte er und zog Marianne sanft hoch.
    Ohne ihre Hand loszulassen, führte er sie durch die dämmrigen Flure und die düsteren Stiegen hinauf. Auf dem Treppenabsatz bogen sie ab und gingen die Empore über der vorderen Halle entlang. Vor einer der Türen blieb Desmond stehen, öffnete sie und schob Marianne hinein. In der Dunkelheit glaubte Marianne, die mit dem Haus nicht vertraut war, dies sei ihr Zimmer, und trat über die Schwelle.
    Mr Desmond folgte ihr mit einer Kerze, und als sie gewahr wurde, dass dies das falsche Zimmer war, hatte er schon die Tür hinter ihnen geschlossen.
    „Das ist nicht mein Zimmer“, erklärte sie, immer noch in dem Glauben, er habe, ebenso wie sie, einen leicht erklärbaren Fehler begangen.
    „Nein, es ist mein Zimmer.“
    Endlich, viel zu spät und lange, nachdem eine solche Reaktion verständlich und ratsam gewesen wäre, fühlte Marianne kalte Panik in ihrem Herzen aufsteigen.
    „Ich meine, so ist es am besten, finden Sie nicht auch?“, sagte Desmond, drehte sich um und schob den Türriegel vor. „Durch dieses Arrangement können Sie Ihre Räume für sich behalten, wo Sie allein sein und Ihre Privatsphäre genießen können.“
    Kühl und sachlich begann er, seine Hose aufzuknöpfen. Entsetzt sah Marianne zu, wie er die Beinkleider vollständig auszog und lange, dunkle und außerordentlich behaarte Beine offenbarte.
    „Wenn wir also zusammen sind“, fuhr er fort, so beiläufig, als tauschten sie in einem Teesalon ihre Meinung über das Wetter aus, „dann hier. Unsere Zimmer liegen so nahe beieinander, dass Sie sich, wenn Sie wünschen, nachher in Ihr Bett zurückziehen können. Ich hoffe allerdings, dass Sie beschließen, einige Nächte ganz bei mir zu verbringen.“
    Marianne blickte ihn aus weit aufgerissenen Augen an, obwohl Desmond in dem schwachen Licht der einen Kerze möglicherweise die Furcht, die darin stand, nicht erkannte. Vielleicht sah er auch einfach mit Absicht darüber hinweg, oder er beschloss, diesen Ausdruck als etwas anderes zu deuten. Als Begehren vielleicht.
    Doch es war Angst, die aus ihren Augen sprach, ihre Gedanken, ihr Herz erfüllte. Sie wich einige Schritte vor ihm zurück, dennoch war der Abstand zwischen ihnen noch zu gering. Ohne sich von der Stelle zu rühren, streckte er die Hand aus,
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