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Herrin wider Willen

Herrin wider Willen

Titel: Herrin wider Willen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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gleichzeitig konnte er nun nicht mehr erwarten, dass es losging. Wovor hast du am meisten Angst, hatte er einmal seinen Ziehvater gefragt. Davor, Angst zu haben, hatte der geantwortet. Recht hatte er: lieber mit blindem Gebrüll voran, als mit schwerem Herzen warten müssen.
    Seine junge Frau ließ die Hand mit dem Dolch sinken, als er ihn nicht nahm. Entschlossen setzte er den Hut auf, die breite Krempe verwegen nach oben geschlagen. »Behaltet den Dolch und zieht Euch an. Es wird bald losgehen. Wenn Ihr schnell seid, kann ich Euch noch zu den Wagen bringen.«
    Er hatte noch nie ein Weib so schnell aufstehen und sich anziehen sehen, wie sie es auf seine Worte hin tat. Reizvoll wirkte das, in der sich allmählich hebenden Dunkelheit. Er hätte gerne noch eine weitere Stunde ihre weiche Haut an seiner gespürt.
    Sie räusperte sich und trat zu ihm, fast fertig angezogen. »Helft mir bitte mit dem Kragen.« Lenz band ihr den Kragen zu, die Haube trug sie schon. Nun wirkte sie wieder ehrbar und würdevoll. Seltsam war das, nach ihrer schwülen, innigen Nacht. Er fragte sich flüchtig, ob seinem Vater eine solch sittsame Ehefrau an seiner Seite gefallen hätte. Wer konnte es wissen? Vielleicht trafen sich die beiden noch.
    Sie ging zum Bett zurück, holte seinen Dolch und hielt ihn ihm wieder hin. »Ich kann ihn keinesfalls behalten.«
    Lenz zügelte mühsam seine Ungeduld. »Konrade – alles, was jetzt noch mein ist, wird am Abend Euch gehören. Ich habe Euren Knecht und Euren Paten angewiesen, meine Truhe für Euch zu sichern. Ihr könnt das eine oder andere Stück daraus hoffentlich gut verkaufen, wenn Ihr in Lüneburg seid. Es sind ein paar Dinge darin, für die ein ehrlicher Händler Euch einiges Geld geben muss.«
    Ada stieß die Luft aus. »Das mag sein. Aber diesen Dolch will ich nicht, und ich werde ihn nicht nehmen. Ich hätte keine ruhige Stunde mehr, wenn ich immer denken müsste, dieses Messer hätte Euch vielleicht gerettet. Steckt ihn wieder zu Euch, und gebt mir das Gefühl, dass Ihr Euch nicht einfach morden lasst. Ein Mann wie Ihr muss sich doch bis zum Letzten wehren. Vielleicht kommt Ihr am Ende doch davon.«
    Sie verblüffte Lenz. Wie kam sie dazu, große Stücke auf ihn zu halten? Ein Mann wie er – was sollte das heißen? Sie wusste nichts von ihm, und vom Krieg schien sie noch weniger zu wissen. »Es könnte sein, dass Ihr dieses Messer vor dem Abend selbst braucht«, sagte er, mehr um sie zu verstören, als dass er tatsächlich vorher an diese Möglichkeit gedacht hätte.
    Sie schüttelte energisch den Kopf. »Ich wüsste gar nicht, wie ich es benutzen sollte. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nicht einmal ein Huhn umgebracht.«
    Diese Worte und der treuherzige Blick ihrer blauen Augen erschütterten Lenz. Dass eine Frau sogar in diesen Landen ein so weltfremdes dummes Geschöpf bleiben konnte, wo der Krieg mit Pest und Hunger schon seit so langer Zeit wütete und das Vertrauen auf den Schutz Gottes vergeblich schien! Was musste das Mädchen für ein verzärteltes Dasein geführt haben. Wahrscheinlich taugte sie nichts, wenn es ums Überleben ging. Er konnte nur hoffen, dass sie es zurück bis nach Lüneburg zu ihrem Vater schaffte.
    Gedankenverloren nahm er ihr endlich den Dolch ab und befestigte die lederne Scheide wieder an seinem Bandelier. »Ich bringe Euch jetzt zum Wagen.«

 
    Am Tag der Schlacht
     

2
     
    Ada atmete die angehaltene Luft aus. Von dem zärtlichen Mann der letzten Nacht war in diesem Fremden nichts mehr zu erkennen, doch sie verübelte es ihm nicht, weil sie wusste, was vor ihm lag.
    Das Landsknechtszelt, in dem sie die Nacht verbracht hatten, stand mitten im Lager des verkommenen Heeres. Der Boden war zerwühlt und mit stinkenden Abfällen übersät, Grünes gab es nur noch so hoch oben, dass auch Tiere mit langen Hälsen nicht mehr herankamen. Zwischen Zelten und Wagen schacherten Weiber um Nahrung. Um ihre Beine herum spielten und stritten magere Hunde und schmutzige Kinder, die geschickter stehlen als sprechen konnten. Die Frühlingsbrise ließ geflickte Zeltplanen schlagen und trug das Geräusch von Stimmen mit sich, die in einem Dutzend verschiedener Sprachen schwatzten.
    Ein Stück entfernt stand der Knecht ihres Vaters an eine Birke gelehnt, und einige Schritte davon entfernt sprach von der Wenthes Freund Christopher Carton mit einem fremden Handlanger. Alle drei setzten sich sofort in Bewegung, als sie aus dem Zelt kamen. Ada bemerkte noch mehr Männer, die
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