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Herrin der Dunkelheit

Herrin der Dunkelheit

Titel: Herrin der Dunkelheit
Autoren: Fritz Leiber
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gewartet, bis auch der Dirigent seinen Diener gemacht hatte, aber dann riss sie ihren Mantel vom Haken – sie hatte ihn während der zweiten Pause hinter die Bühne gebracht, nachdem ich ihr deine Nachricht übermittelt hatte – und rannte einfach durch den Zuschauerraum nach draußen. Du hast vielleicht geglaubt, dass du die Leute geschockt hast, als du gleich nach Beginn des Konzerts aufgestanden und gegangen bist. Glaube mir, das war gar nichts im Vergleich dazu, wie Cal sie geschockt hat, als sie sich rücksichtslos zum Ausgang drängte! Als wir sie endlich wieder eingeholt hatten, hielt sie gerade ein Taxi an, indem sie einfach auf die Straße und vor den Kühler lief. Wenn wir nur um ein paar Sekunden langsamer gewesen wären, hätte sie uns glatt abgehängt. Aber da wir es gerade noch geschafft hatten, gönnte sie uns widerwillig die Zeit, die wir brauchten, um uns in das Taxi zu quetschen.«
    »Und dann hängte sie uns wieder ab«, nahm Gun den Faden auf, »als wir vor dem Haus hielten und jeder von uns glaubte, der andere würde das Taxi bezahlen, und der Fahrer schrie hinter uns her, und wir beide gingen wieder zurück.« Er stand dicht hinter der Schwelle, am Rand der großen Wehe aus zerfetztem Papier. »Als wir ins Foyer kamen, hörten wir sie die Treppe hinauflaufen, weil es ihr zu lange dauerte, auf den Lift zu warten. Inzwischen war der Lift unten, und wir fuhren mit ihm hinauf, aber sie hatte uns trotzdem wieder geschlagen. Sag mal, Franz« – er deutete mit dem Finger auf die Wand – »wer hat den großen Stern dort gemalt?«
    Bei diesen Worten sah Franz, wie die kleinen, braunen Schuhe mit festen Schritten vortraten und Papierschnipsel zur Seite stießen. Wieder schlug Fernando an die Wand über dem Bett, als ob er damit Aufmerksamkeit fordern wollte, und sagte dann mit Bestimmtheit: »Hechiceria occultado en muralla!«
    »Hexenkunst, in der Wand versteckt«, übersetzte Franz, wie ein Kind, das beweisen will, dass es ihm wieder gut geht. Cal legte ihm einen Finger auf die Lippen, um ihm zu sagen, dass er sich ausruhen solle.
    Fernando hob einen Finger, als ob er ankündigen wollte: ›Ich werde demonstrieren‹, kam zurück und ging an Cal und Franz vorbei aus der Tür. Er ging rasch den Korridor entlang, an Dorotea und Bonita vorbei, blieb vor der schwarzen Tür der Besenkammer stehen und wandte sich um. Gun, der ihm neugierig gefolgt war, blieb ebenfalls stehen.
    Der dunkelhaarige Peruaner deutete auf die verschlossene Tür dann auf die sauber aufgeschichteten Wellpappkartons, und dann machte er ein paar Schritte mit vorgestreckten Armen und leicht angewinkelten Knien (›Ich habe sie herausgeholt Ich bin dabei sehr leise gewesen.‹), zog einen Schraubenzieher aus der Hosentasche, steckte ihn in das vierkantige Loch, in dem früher der Drücker gewesen war, drehte ihn ein wenig, riss die Tür auf und trat mit einem triumphierenden Grinsen zur Seite.
    Gun trat neben ihn, blickte in den kleinen Raum und berichtete Cal und Franz: »Er hat ihn völlig ausgeräumt. Mein Gott, der Staub liegt hier fingerdick. Da ist sogar ein winziges Fenster. Jetzt kniet er auf der anderen Seite der Wand, gegen die er eben mit der Faust geschlagen hat. Ich sehe eine kleine Nische, eine rechteckige Vertiefung im unteren Teil der Wand. Mit einer Tür verschlossen. Ein Sicherungskasten? Eine Ablage für Reinigungsmittel? Ich weiß es nicht. Jetzt versucht Fernando, sie mit dem Schraubenzieher aufzubrechen. Verdammt!«
    Er trat zurück, um Fernando Platz zu machen, der mit einem triumphierenden Grinsen heraustrat, ein ungewöhnlich großformatiges, ziemlich dünnes, graues Buch an die Brust gedrückt. Er kniete sich neben Franz auf den Boden, schlug es mit einer dramatischen Geste auf und streckte es ihm entgegen. Eine kleine Staubwolke wirbelte auf.
    Die beiden Seiten, die Fernando rein zufällig aufgeschlagen hatte, waren vom oberen bis zum unteren Rand Zeile an Zeile mit einer sauberen, doch verworrenen Schrift bedeckt: astronomische und astrologische Zeichen und andere kryptische Symbole, erkannte Franz.
    Er streckte seine leicht zitternde Hand danach aus, riss sie dann aber wieder zurück, als ob er Angst hätte, sich die Finger zu verbrennen.
    Er hatte erkannt, dass die schwarze Tinte und die Handschrift die gleichen waren, die den Fluch geschrieben hatten.
    Es musste das Fünfzig-Buch sein, die Grand Cipher, die in Megapolisomancy und in Smiths Journal (B) erwähnt wurde – die Kladde, die Smith einmal
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