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Herr des Lichts

Herr des Lichts

Titel: Herr des Lichts
Autoren: Roger Zelazny
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Brust war ein Zylinder, bebend vor Energie, und seine Beine standen auf dem Boden wie große Baumstämme aus dem Wald.
    »Kälte?« fragte er und breitete seine Arme aus. »Mit diesen Händen zerschmettere ich Riesen, Yama. Was bist du schon dagegen? Ein ausgestoßener Gott, ein Götterkadaver! Vielleicht kannst du die Alten und Schwachen mit deinem Blick einschüchtern. Vielleicht können deine Augen die Tiere, die ohne Verstand sind, und die unteren Menschenklassen entmutigen. Ich stehe so hoch über dir wie ein Stern über dem Grund des Meeres.«
    Yamas rotbehandschuhte Hände fuhren wie zwei Kobras an seine Kehle. »Dann will ich dir meine Kraft zeigen, über die du so spottest, Träumer. Du hast die Gestalt deiner göttlichen Macht angenommen. Beweise sie mir! Oder willst du nur mit Worten kämpfen!«
    Maras Wangen und Stirn färbten sich blutrot, als Yamas Hände seine Kehle fester umschlossen. Sein Auge schien hin und her zu springen, wie ein grüner Suchscheinwerfer, der die Welt nach einem Ausweg ableuchtete.
    Mara fiel auf die Knie. »Genug, Yama-Herr!« keuchte er. »Willst du dich selbst töten?«
    Er verwandelte sich. Seine Züge zerflossen, so wie Formen zerfließen, wenn sie unter einer bewegten Wasseroberfläche liegen.
    Yama sah in sein eigenes Gesicht, sah seine eigenen roten Hände an seinen Gelenken zerren.
    »Deine Verzweiflung wächst, Mara, denn das Leben erstirbt in dir. Aber Yama ist kein Kind, das Angst hat, den Spiegel zu zerbrechen, in den du dich verwandelt hast. Gib dein letztes oder stirb wie ein Mann - es bleibt sich schließlich alles gleich.«
    Aber noch einmal zerfloß und verwandelte sich das Gesicht.
    Dieses Mal zögerte Yama, der Druck seiner Finger wurde schwächer.
    Ihr Bronzehaar fiel über seine Hände. Ihre hellen Augen baten ihn flehentlich um Einhalt. Auf der blassen Haut ihres Halses hing, bleicher noch, eine Kette aus elfenbeingeschnitzten Totenschädeln. Ihr Sari war rot wie Blut. Ihre Hände legten sich beinahe liebkosend auf seine.
    »Göttin!« zischte er.
    »Willst du Kali töten.? Durga.?« würgte sie.
    »Wieder falsch, Mara«, flüsterte er. »Wußtest du nicht, daß jeder tötet, was er liebt?« Dabei drehten sich seine Hände, und man hörte das Krachen brechender Knochen.
    »Zehnfach sei deine Verdammung«, sagte er, die Augen fest geschlossen. »Du sollst keine Wiedergeburt erleben!«
    Dann öffneten sich seine Hände.
    Zu seinen Füßen auf dem Boden lag ein hochgewachsener, wohlproportionierter Mann. Der Kopf dieses Mannes lag auf seiner rechten Schulter.
    Sein Auge hatte sich nun endgültig geschlossen.
    Yama stieß mit der Spitze seines Stiefels gegen den Leichnam, der zur Seite rollte. »Errichtet einen Scheiterhaufen und verbrennt diesen Leichnam«, befahl er den Mönchen, sich ihnen dabei nicht zuwendend. »Laßt keines der Rituale aus. Es ist einer der Höchsten, der an diesem Tag gestorben ist.«
    Dann wandte er seine Augen vom Werk seiner Hände ab, machte auf dem Absatz kehrt und verließ den Raum.
    An diesem Abend flackerten ununterbrochen die Blitze, und die Regentropfen schlugen ein wie Kugeln des Himmels.
    Zu viert saßen sie in der Kammer des hohen Turms, der sich im Nordostwinkel des Klosters erhob.
    Yama schritt in dem Raum auf und ab. Jedesmal, wenn er am Fenster vorbeikam, hielt er inne.
    Die anderen saßen stumm da, sahen ihn an, hörten ihm zu.
    »Sie sind argwöhnisch«, sagte Yama, »aber sie wissen nichts Genaues. Auf bloße Vermutungen hin wollten sie das Kloster eines Mitgottes, das Kloster der Göttin Ratri, nicht verwüsten, denn damit hätten sie vor allen Menschen die Spaltung in ihren Reihen demonstriert. Sie waren sich nicht sicher, deshalb stellten sie Ermittlungen an. Das wiederum heißt, daß die Zeit noch für uns läuft.«
    Sie nickten.
    »Ein Brahmane, der der Welt entsagt hatte, um seine Seele zu finden, kam auf seinem Weg in dieses Kloster, erlitt einen Unfall und fand dabei den wirklichen Tod. Sein Körper wurde den Flammen übergeben und seine Asche in den Fluß gestreut, der zum Meer führt. Das und nichts anderes ist geschehen. Die Wandermönche des Erleuchteten hielten sich zur gleichen Zeit gerade im Kloster auf. Kurz nach dem Ereignis zogen sie weiter. Wer weiß wohin?«
    Tak stellte sich so aufrecht hin, wie er es eben vermochte.
    »Yama-Herr«, erklärte er, »diese Geschichte mag eine Woche, einen Monat - vielleicht sogar länger - überdauern, aber wenn auch nur ein einziger von denen, die jetzt hier in
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