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Herr der Nacht

Herr der Nacht

Titel: Herr der Nacht
Autoren: Tanith Lee
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Art aufrichte, wenn sie sich vorbeugte, um die neuen Seidenproben zu bewundern – wozu er sie ständig aufforderte.
    Doch der alte Schurke fuhr fort, sie zu bedrängen, und sie fuhren fort, an die Seide zu denken, und eines Nachts faßten sie einen gemeinsamen Plan.
    Der Seidenhändler war in dem Hinterzimmer seines Ladens damit beschäftigt, die Bücher zu fälschen, um des Königs Steuereintreiber zu hintergehen, als an der Tür ein zartes Kratzen ertönte.
    »Wer ist da?« fragte der Händler nervös. Obwohl es in jenen Tagen wenige Räuber gab, war er, da er selbst einer war, sich ihres Vorhandenseins ständig bewußt und stattete die Nacht mit ihnen aus. »Nehmt euch vor meinen sechzehn Dienern und meinem tollwütigen Hund in acht.«
    Aber eine süße Stimme rief durchs Schlüsselloch: »Ich bin es, lieber Händler, Fair, die siebte Tochter des Bauern. Aber wenn ihr einen tollwütigen Hund habt …«
    Doch der Händler war schon aufgesprungen, von seinem Glück überwältigt, und hatte die Tür aufgerissen.
    »Betritt meinen unwürdigen Laden«, rief er und führte Fair ins Innere. »Es ist niemand hier außer mir«, fügte er hinzu, »du hast mich falsch verstanden. Tollwütiger Hund! Was für ein Unsinn! Sei nicht so ängstlich und komm näher, und dann will ich nach der Seide für ein Kleid sehen. Natürlich«, versicherte er ihr in gewinnender Art, »kann ich dir nichts anpassen, wenn du angezogen bist, du mußt deine Kleider schon ablegen.«
    Fair tat sogleich, wie er ihr vorgeschlagen hatte. Der Händler leckte sich die Lippen und rollte mit den Augen, und Fair bemerkte, daß das merkwürdige Tier sich hoch aufgerichtet hatte.
    »Und nun«, sagte der Händler, »stell dich dort an die Wand, und ich werde Maß an dir nehmen.«
    Fair gehorchte zurückhaltend, und der Händler, der unfähig war, sich länger zurückzuhalten, warf sich auf sie.
    »Aber ist dies wirklich notwendig?« fragte Fair, als er sie mit widerwärtig sabbernden Küssen bedeckte.
    »In der Tat, es ist«, erklärte der Händler, wobei er sich seiner Beinkleider entledigte und ein weiteres Vordringen vorbereitete.
    »Nein, aber ich denke nicht«, sagte Fair, und indem sie ihre Stimme erhob, rief sie nach ihren Schwestern. Sofort stürmten alle sechs, die draußen gelauert hatten, herein und schwangen alle Arten von Haushaltsgegenständen, mit denen sie über den Händler herfielen.
    »Ich bin Fleet, die älteste Bauerntochter«, schrie Fleet, wobei sie einen riesigen Fleischerhaken auf sein linkes Schienbein sausen ließ.
    »Und ich bin Flame«, schrie Flame und schlug mit einer Bratpfanne gegen das andere Schienbein.
    »Und ich Foam«, ein Schlag auf den Hintern.
    »Und ich Fan«, ein Schlag auf den Rücken.
    »Und ich bin Fountain«, meldete sich Fountain, während sie fachmännisch einen Krug mit kaltem Öl über ihn goß.
    »Und ich Favour«, fügte Favour hinzu und schlug ihm eine Kohlenzange über den Kopf.
    Der Händler brüllte und hüpfte umher und rutschte bald auf dem Öl aus und fiel zu Boden. Hier schlugen ihn die sieben Töchter unbarmherzig, bis er sie anflehte, soviel Seide zu nehmen, wie sie tragen konnten, und ihn in Frieden zu lassen. Dies erwies sich als weit großzügiger, als er beabsichtigt hatte, denn die sieben hatten klugerweise den Ochsenkarren ihres Vaters mitgebracht und beluden ihn vollauf. Der Händler jammerte und rang die Hände.
    »Und nun«, sagte Fleet, »wirst du niemandem erzählen, daß wir hier waren.«
    »Du wirst sagen, daß Räuber dich überfallen haben«, riet Flame.
    »Wenn du das nicht tust«, sagte Foam.
    »Und wenn du statt dessen uns bezichtigst«, sagte Fan.
    » Irgendeiner Sache «, sagte Fountain.
    »Dann werden wir auch erzählen, wie du unsere kleine Schwester nackt an die Wand deines Ladens sich stellen ließest«, fuhr Favour fort.
    »Und dein bösartiges, wildes Tier aus deiner Hose holen wolltest, wahrscheinlich deinen tollwütigen Hund, um ihn auf mich zu hetzen«, beendete Fair entrüstet.
    Der Händler weckte dementsprechend die Stadt mit lautem Schreien über zwanzig riesige, schwarzbärtige, Eisenkeulen schwingende Räuber, während die Schwestern mit einem Karren voller Seide über die Landstraße nach Hause fuhren.
    Aber als das beladene Fahrzeug zu dem Bauernhof kam, der sich gegen den schwarzen Vorhang des alten Waldes abhob, sahen die Schwestern im Mondlicht eine wunderschöne Frau, die auf der Straße wartete.
    »Seht«, sagte Fleet, »sie muß sehr reich sein. Sie hat
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