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Herr der Moore

Herr der Moore

Titel: Herr der Moore
Autoren: Kealan Patrick Burke
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worden sein will.« Er nahm einen kleinen Beutel und seine Bruyèrepfeife heraus. Nachdem er sie gestopft hatte, schlug er ein Streichholz an, hielt es an den Tabak und zog kräftig am Mundstück. Der blaue Dunst, den er aushauchte, vermengte sich mit dem Nebel. »Lassen Sie mich eine Frage stellen, Mr. Royle, haben Sie die Bestie von Brent Prior je selbst gesehen?«
    Royle glotzte ihn an, und Grady entnahm seinem Gesichtsausdruck, dass er abwog, inwieweit es ihm nutzte, ein aufrichtiges Gespräch mit einer Lüge zu zerstören. Letztlich ließ er die Schultern hängen und schüttelte den Kopf, als schäme er sich, weil er nicht in der Lage war, seinen Glauben mit eigenen Erfahrungen zu stützen, oder aufgrund des Umstandes, dass er gegenüber einem bloßen Hausdiener zurückstecken musste. Grady machte sich keine Illusionen: Dieses Stelldichein in freundschaftlicher Atmosphäre sollte nicht länger währen, als sie sich im Umkreis von Hay Tor aufhielten, denn für Royle schickte es sich nicht.
    »Nun«, sagte der Dienstmann, während er seine Pfeife umdrehte und die Asche aus dem Kopf auf den harten Grund rieseln ließ. »Sagen wir so, ich hoffe, richtig zu liegen, doch falls nicht, so beten wir beide darum, niemals die Wahrheit zu erfahren.«
    Royle nickte. »Klingt annehmbar.«
    »Gut.« Beim Aufstehen taten Gradys Beine weh; die Knie kamen ihm wie rostige Scharniere vor. »Dann verschwinden wir, ehe uns die Dunkelheit zu dicht auf den Leib rückt und ihre Geheimnisse preisgibt, nicht wahr?«
    »Können wir nicht noch ein wenig warten? Ich ringe immer noch nach Luft.«
    Grady schmunzelte. »Sie kommen auch schwerlich zu Atem, solange sie derart plappern. Trotzdem brechen wir am besten gleich auf. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass sich der Nebel auflösen wolle.«
    Beide erhoben sich und die Luft wirkte noch frischer als zuvor.
    »Er ist grauenhaft dicht, nicht wahr?«, bemerkte Royle nervös. »Werden wir wieder zurückfinden?«
    »Schöpfen Sie Mut, Mr. Royle«, sagte Grady, obwohl es mit seinem eigenen ehrlich gesagt nicht unbedingt weit her war. Er musste sich zurückhalten, um nicht im Nebel herumzufuchteln, als handle es sich bloß um Rauchschwaden, die er mit einer Handbewegung verwehen konnte.
    »Callow hat den Verstand verloren«, sprach Royle bei sich und packte Lightnings Zügel. »Selbst unsere Bestie, dieses Hirngespinst, würde sich bei solchem Wetter nicht herauswagen.« Als er sich umdrehte, stand Grady immer noch neben dem Stein, auf dem er gesessen hatte. Er rührte sich nicht. »Stimmt etwas nicht?«
    Der Dienstmann antwortete vorerst nicht. Dann erhob er die Stimme leise, wie aus Angst, belauscht zu werden. »Sie ist weg.«
    Royle stutzte verwirrt. »Wer?«
    »Alice, meine Stute. Sie ist verschwunden. Ich habe ihre Zügel aufgehoben, doch am anderen Ende ist nichts.«
    »Sie hat sich losgerissen?«
    »Scheinbar.« Grady stieß einen kurzen, hellen Pfiff aus, den der Nebel offensichtlich verschluckte, denn es war, als habe er den Laut gegen eine Wand geäußert. Sie warteten auf ein Geräusch – Keuchen, Geklimper, Huftritte oder ein Wiehern, irgendein Anzeichen dafür, dass sich das Tier inmitten der rollenden Wolken aufhielt.
    Nichts. Die Zeit dehnte sich aus, bis Stunden vergangen sein mussten. Endlich drehte sich Grady zu Royle um. »Sie wird schon noch da sein«, wollte er glauben und gab vor, die vermutete Untreue des Pferdes fechte ihn nicht an. »Irgendwo. Unter diesen Umständen aber sehe ich keinen Weg, sie zu finden. Vielleicht stoßen unsere Gefährten auf dem Nachhauseweg auf sie. Falls nicht, kann sie die Nacht im Sumpf verbringen.«
    »Wollen Sie nicht ihre Fährte aufnehmen?«
    »Hier? Selbst wenn ich es könnte, Gott weiß, wohin sie mich hinführen.«
    »So lassen Sie das Tier einfach im Stich?«
    »Grundgütiger!« Grady schlug mit beiden Händen auf seinen Mund, woraufhin sich Royle erschreckte.
    »Was haben Sie denn?«
    Der Bedienstete war bleich geworden. »Die Leiche . Jesus, Maria und Joseph, der verdammte Gaul ist mit dem Toten abgehauen!«
    Er wirbelte herum, als wolle er sich in den Nebel stürzen, doch Royle hielt ihn am Arm fest. »Warten Sie! Wohin wollen Sie? Sie sagten gerade, Sie würden das Tier niemals finden.«
    »Ja, aber ich muss es.«
    »Sie werden sich verlaufen!«
    Grady erstarrte, neigte den Kopf ein wenig zur Seite und horchte.
    Royle tat es ihm gleich. »Was nun?«
    »Hören Sie hin.«
    Zuerst blieb es still, doch als Royle gerade erneut fragen
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