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Herr der Daemmerung

Herr der Daemmerung

Titel: Herr der Daemmerung
Autoren: Lisa J. Smith
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Sie mochten Herzen.
    Dieser Ghoul war neu, seit etwa zwei Wochen tot. Er war männlich und sah aus, als sei er ein Bodybuilder gewesen, obwohl der Körper jetzt eher aufgedunsen als muskulös wirkte - er war vom Gas der Verwesung angeschwollen. Zunge und Augen traten hervor, die Wangen waren wie die eines Streifenhörnchens, und blutige Flüssigkeit tropfte ihm aus der Nase.
    Und natürlich roch er nicht besonders gut.
    Während Jez sich ihm langsam näherte, begriff sie plötzlich, dass der Ghoul nicht allein war. Hinter dem Fußende des Bettes lag ein offenbar bewusstloser Junge auf dem Teppich. Er hatte helles Haar und zerknitterte Kleider, aber sein Gesicht konnte Jez nicht sehen. Der Ghoul beugte sich über ihn und griff mit Fingern zu, die wie Würste geformt waren.
    »Das wird wohl nichts«, erklärte Jez ihm leise. Sie konnte spüren, wie sich ein gefährliches Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitete. Sie griff in ihren rechten Stiefel und zog den Dolch heraus.
    »Was hast du gesagt?«, rief Claire von der anderen Seite der Tür.
    »Nichts, Claire. Ich hole nur meine Hausaufgaben heraus.« Jez sprang aufs Bett. Der Ghoul war sehr groß - sie musste jede Möglichkeit nutzen, um an Höhe zu gewinnen.
    Der Ghoul wandte sich zu ihr um, den Blick seiner glanzlosen Käferaugen auf den Dolch gerichtet. Er brachte mit seiner geschwollenen Zunge ein leises, zischendes Geräusch heraus. Glücklicherweise war das alles, was er an Lärm machen konnte.
    Claire rüttelte an der Tür. »Hast du abgeschlossen? Was tust du da drin?«
    »Ich lerne bloß, Claire. Geh weg.« Jez ließ einen Fuß vorschnellen und traf den Ghoul unterm Kinn. Sie musste ihn betäuben und schnell pfählen. Ghoule waren zwar nicht klug, aber sie kannten einfach kein Ende, wie ein Duracell-Hase. Dieser hier konnte heute Abend die gesamte Familie Goddard verspeisen und bei Tagesanbruch immer noch hungrig sein.
    Der Ghoul prallte gegen die Wand gegenüber dem Bett. Jez sprang zu Boden und stellte sich zwischen das Ungeheuer und den Jungen.
    »Was ist das für ein Lärm?«, schrie Claire.
    »Ich habe ein Buch fallen lassen.«
    Der Ghoul holte aus. Jez duckte sich. Er hatte riesige Blasen an den Armen, von der bräunlichen Farbe alten Blutes.
    Er stürzte sich auf sie und versuchte, sie gegen die Kommode zu stoßen. Jez rettete sich mit einem Sprung nach hinten, aber sie hatte nicht genug Platz. Er traf sie heftig mit einem Ellbogen im Magen.
    Jez zwang sich, nicht zusammenzuklappen. Sie drehte sich und half dem Ghoul in die Richtung nach, in die er sich ohnehin bereits bewegte, indem sie ihm mit dem Fuß zusätzlichen Schwung verpasste. Er krachte mit dem Gesicht nach unten ins Fensterbrett.
    »Was geht da drin vor?«
    »Ich suche bloß etwas.« Jez bewegte sich, bevor der Ghoul sich erholen konnte, und sprang auf seine Beine. Sie packte ihn an den Haaren - keine gute Idee; im nächsten Moment hielt sie büschelweise Haare in der Hand. Sie kniete sich auf ihn, um ihn festzuhalten, dann hob sie das schmale Bambusmesser und stieß fest zu.
    Es klang, als zersteche man eine Blase, und ein widerlicher Geruch verbreitete sich. Das Messer war direkt unter dem Schulterblatt eingedrungen, fünfzehn Zentimeter ins Herz hinein.
    Der Ghoul zuckte ein einziges Mal, dann hörte er auf sich zu bewegen.
    Claires Stimme klang schrill durch die geschlossene Tür. »Mom! Sie macht da drin irgendetwas!«
    »Jez, ist alles in Ordnung mit dir?« Tante Nans Stimme.
    Jez stand auf, zog ihren Bambusdolch heraus und wischte ihn am Hemd des Ghouls ab. »Ich kann bloß mein Lineal nicht finden ...« Der Ghoul befand sich in einer perfekten Position. Sie legte ihm die Arme um die Taille, ignorierte das Gefühl, dass sich dabei unter ihren Fingern Haut ablöste, und hievte ihn auf das Fensterbrett. Es gab nicht viele menschliche Mädchen, die einen fast zweihundert Pfund schweren Untoten hätten hochheben können, und selbst Jez war am Ende ein wenig außer Atem. Sie versetzte dem Ghoul einen Stoß und rollte ihn herum, bis er das offene Fenster erreichte, dann manövrierte sie ihn nach draußen. Er plumpste schwer in ein Beet voller Fleißiger Lieschen und zerquetschte die Blumen.
    Gut. Sie würde ihn in der Nacht wegschleppen und verschwinden lassen.
    Jez schnappte nach Luft, wischte sich die Hände ab und schloss das Fenster. Sie zog die Vorhänge zu, dann kehrte sie zurück. Der hellhaarige Junge lag vollkommen reglos da. Jez berührte ihn sanft am Rücken und sah, dass er
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