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Herr der Daemmerung

Herr der Daemmerung

Titel: Herr der Daemmerung
Autoren: Lisa J. Smith
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Augen öffnete, sah sie Morgeads Gesicht.
    Er weinte. Oje. Das war schlimm. Jez hatte ihn nicht mehr weinen sehen, seit... wann war das gewesen? Irgendwann als sie kleine Kinder waren ...
    Jez, kannst du mich hören? Jetzt rief er in ihren Geist hinein.
    Jez blinzelte und versuchte, sich auf etwas Tröstliches zu besinnen, das sie ihm sagen konnte.
    »Ich fühle mich warm«, wisperte sie.
    »Nein, das tust du nicht!« Seine Stimme war beinahe ein Knurren. Dann schaute er hinter sich, und Jez sah, wie Hugh und Claire herangekrochen kamen. Sie alle waren in goldenes Licht getaucht.
    »Ihr seid so hübsch«, sagte sie zu ihnen. »Wie Engel.«
    »Dies ist nicht der richtige Zeitpunkt für deinen verdrehten Humor!«, rief Morgead.
    »Hör auf damit! Brüll sie nicht an!« Das war Claire. Claire weinte ebenfalls, liebreizende Tränen, die glänzten, während sie über ihre Wangen rollten. Sie griff nach Jez’ Hand, und es war schön, obwohl Jez die Berührung nicht direkt spüren konnte. Sie konnte sie sehen.
    »Sie wird sich wieder erholen«, fauchte Morgead. »Sie hat Blut verloren, aber sie wird wieder gesund.«
    Irgendjemand strich Jez das Haar aus dem Gesicht. Sie spürte es; es war angenehm. Sie sah Morgead mit einem langsamen Stirnrunzeln an, weil sie ihm etwas Wichtiges mitteilen musste und das Sprechen schwerfiel.
    »Sag Hugh ...«, flüsterte sie.
    »Sag es Hugh verdammt noch mal selbst! Er ist gleich hier! Und du gehst nirgendwohin.«
    Jez blinzelte, weil es so schwierig war, den Blick zu verlagern. Ja, da war Hugh. Er war derjenige, der ihr übers Haar strich.
    »Hugh ... die Prophezeiung. Ich bin dahintergekommen, was die zwei Augen bedeuten. Es sind Sonne und Mond - kapierst du? Zwei Augen ... für jemanden, der zu beiden Welten gehört.«
    »Der Tagwelt und der Nachtwelt«, sagte Hugh leise. »Du hast es herausgefunden, Jez. Du bist so klug.«
    »Und Blut«, flüsterte Jez. »Macht im Blut - das ist der Grund, warum ich es nicht immer tun konnte, wenn ich es wollte. Blut muss fließen, bevor man die Macht herauslassen kann. Bei den ersten beiden Malen hat Claire mich gekratzt. Und diesmal ...« Ihre Stimme erstarb, aber es war nicht wichtig. Diesmal konnten alle das Blut sehen, das wusste sie.
    Hughs Stimme war belegt. »Das war ebenfalls klug, Jez. Du hast das Rätsel gelöst. Und du hast uns gerettet. Du hast alles genau richtig gemacht.«
    »Nein ... weil es jetzt nur noch drei Wilde Mächte geben wird ...«
    »Nein, es gibt nicht nur drei«, tobte Morgead. »Hör nur zu, Jez. Es gibt keinen Grund für dich zu sterben ...«
    Jez brachte kein Lächeln mehr zustande, auch keinen Satz. Aber sie wisperte sanft: »Holz ... Gift.«
    »Nein, das ist es nicht. Nicht für Menschen. Und du bist halb menschlich, Jez. Du bist Vampir genug, um etwas zu überleben, das einen Menschen töten würde, aber du bist Mensch genug, um nicht von Holz vergiftet werden zu können.«
    Jez wusste es besser. Sie konnte nichts mehr sehen. Nur Morgead, und er wurde sehr undeutlich. Es war jedoch nicht so, als würde die Welt dunkler - sie wurde heller. Alles war golden und leuchtend.
    Fehlt von den Vieren eine, siegt das Dunkel, dachte Jez. Das tut mir so leid. Ich hoffe, sie schaffen es irgendwie.
    Es wäre so traurig, wenn alles Menschliche verloren ginge. Es gibt so viel Gutes auf der Welt und so viel Liebe ...
    Jetzt konnte sie nicht einmal mehr Morgead sehen. Nur Gold. Aber sie konnte hören. Sie konnte Claire mit einer von Tränen gebrochenen Stimme flüstern hören, und sie konnte Nässe spüren, die ihr aufs Gesicht tropfte.
    »Ich hab dich lieb, Jez. Du bist die beste Cousine, die es jemals geben könnte.«
    Und Hugh. Er weinte ebenfalls. »Jez. Ich bin so stolz, dein Freund zu sein ...«
    Und dann kam durch den Nebel und das Gold und die Wärme und den Frieden eine Stimme, die überhaupt nicht sanft war. Die in schierem Zorn und voller Entrüstung brüllte.
    »WAGE ES NICHT, MIR WEGZUSTERBEN, JEZEBEL! WAGE ES NICHT! Oder ich werde dir in die nächste Welt folgen und dich TÖTEN.«
    Plötzlich konnte sie in dem hübschen, goldenen Nebel noch etwas anderes sehen. Das Einzige in ihrem Universum, das nicht golden war.
    Es war ein silbernes Band.
    »Du kommst zurück und zwar auf der Stelle«, bellte Morgead in ihre Ohren und ihren Geist. »Auf der Stelle! Hörst du mich?«
    Der Friede war zerschmettert. Nichts erschien ihr mehr so warm und wunderbar, und sie wusste, dass Morgead, sobald er diesen Zustand einmal erreicht hatte,
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