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Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk

Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk

Titel: Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk
Autoren: Hugo Ball
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Blutstropfen und bis zur Psychose einer sehr anders
    gearteten Welt gegenüber zu verteidigen. Seine Aufgabe könnte es
    sein, an der Musikalität und Reinheit des Wortes, am Bilde und
    Urbilde, am Bunde des Dichters mit dem Bekenner, des Klingsor mit
    dem Siddhartha, und kurzum: einer desillusionieren Welt gegenüber
    an der ritterlichen Form und der Verzauberung festzuhalten. Mag es
    ihm mitunter sinnlos erscheinen oder sinnlos erschienen sein, in
    jenen Jahren besonders, wo der Zusammenbruch jeden Wert zu

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    vernichten drohte –: heute schon ist seine Treue das Denkmal nicht
    nur einer großen Vergangenheit, sondern auch eines Neubeginns und
    einer Wiederbelebung aus keinem anderen Geiste als aus dem der
    Romantik.
    Das Problem des tragischen Genies hat den Dichter in den letzten
    Jahren immer wieder beschäftigt; dies, und die Magie als eine Kunst
    sich zu behaupten und als eine Kunst sich aufzulösen. Schon früh
    empfand Hesse das Bajazzolachen, das ja ebenfalls romantisch ist;
    das Zerschlagen des eigenen Instrumentes, nicht weil es zu rauh
    klingt, sondern weil die Kunst, wo sie souverän wird, das Leben
    plündert und es aushöhlt. Solches Zerschlagen des eigenen
    Standbildes, weil es als Memnonssäule zu tönen und nur zu tönen
    verurteilt ist –, es eignet dem Dichter und Menschen Hesse nicht erst
    in der Untergangszeit der ersten Nachkriegsjahre. Es eignet ihm
    schon in den »Gedichten« von 1902, wenn eines der Lieder dort
    lautet:
    Ich habe nichts mehr zu sagen,
    Ich
    habe
    alles
    gesagt.
    Nun will ich klingend zum letzten Takt
    Meine gute Geige zerschlagen.
    Zerschlagen – und wandern wieder
    Ins
    Land,
    woher
    ich
    kam,
    Wo ich in Jugendtagen vernahm
    Den Traum vom Lied der Lieder.
    Ihn
    träumen
    will
    ich
    wieder
    Abseits
    und
    ganz
    allein
    –
    Es muß voll tiefen Friedens sein
    Der Traum vom Lied der Lieder.
    In den Steppenwolf-Gedichten (Neue Rundschau 1926) ist dieser Zug
    zur Selbstzerstörung für manche Freunde Hesses zu einem tiefen
    Schmerz geworden. Bitterkeit und Schwermut sind in diesen
    Gedichten bis zum Zerspringen des Instrumentes gediehen. Ich
    kenne nur eine Publikation, die mir bei der ersten Lektüre den

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    gleichen Eindruck machte: Nietzsches »Ecce homo«. Verse ziehen
    vorüber von einer unvergleichlichen Intensität und Trauer, Worte von
    der seltsamen Leuchtkraft eines Sterns, der sich einsam im fauligen
    Brunnen spiegelt. Die alte verbergende Form ist nach allen Seiten
    zersprengt, ein neuer Rhythmus schwingt. Was er den Dichter
    gekostet hat, das werden nur diejenigen beurteilen können, die
    Hesses Diskretion, die seine Leidenskraft und seine Zähigkeit im
    Verbergen kennen.
    Sagt, seid ihr alle so scheußlich allein,
    Oder muß nur ich auf der schönen
    Welt so einsam und wütend und traurig sein?
    – – – – – – – – – – – – – – – – –
    Ich
    kann
    es
    nicht
    verstehen,
    Soviel
    Kognak
    ist
    nicht
    gesund,
    Man
    kommt
    dabei
    auf
    den
    Hund.
    Aber ist es nicht edler unterzugehen?
    »Ein Werk auf die Katastrophe hin bauen«, dieses Nietzschewort liegt
    Hesse sehr nahe; er selbst könnte sein Werk auf die Katastrophe hin
    bauen oder gebaut haben. Bei Hölderlin wie bei Novalis sieht Hesse
    »das Schicksal des außerordentlichen, genialen Menschen, dem die
    Anpassung an die ›normale Welt‹ nicht gelingt; das Schicksal des
    Sonntagskindes, das den Alltag nicht ertragen kann, das Schicksal
    des Helden, der in der Luft des gemeinen Lebens erstickt«. Das ist
    die Begründung der Steppenwolf-Gedichte und -Ausfälle. Im
    Nachwort zu »Novalis« sowohl wie zum »Hölderlin« (beide bei
    Fischer) stehen Sätze, die jeder Freund des Dichters als dessen
    eigenes Problem, als seine eigene Qual erkennt.
    Von Novalis sagt er: »Ebenso wie sein kurzes, äußerlich tatenloses
    Leben den Eindruck seltsamster Fülle macht und jede Sinnlichkeit
    wie jede Geistigkeit erschöpft zu haben scheint, so zeigen die Runen
    dieses Werkes unter spielender, entzückend blumiger Oberfläche alle
    Abgründe des Geistes, der Vergöttlichung durch den Geist und der
    Verzweiflung am Geiste.« Auch das Schicksal des Hölderlin gibt einen
    Aufschluß über die mitunter befremdlichen Lebensexperimente des
    Steppenwolf-Dichters. Das Schicksal Hölderlins läßt ihn mahnen: »Es

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    ist lebensgefährlich, sein Triebleben allzu einseitig unter die
    Herrschaft des triebfeindlichen Geistes zu stellen, denn jedes Stück
    unseres Trieblebens, dessen Sublimierung nicht
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