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Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk

Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk

Titel: Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk
Autoren: Hugo Ball
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beachte es wohl: es ist eine tragische, eine

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    Theaterlehre, und in der Tat tritt dann im »Steppenwolf« das
    magische Theater mit allem Pomp hervor. Aber wie stand es in
    Wirklichkeit um die Menschen? Wandelten sie sich und vermochten
    sie dies (wenn sie nicht billige Komödianten waren), vermochten sie
    es anders als um die eine Bedingung, daß sie ihr Selbst
    zurückzuziehen versuchten vom ergriffenen Objekt? Gab es anders
    Verwandlung als um den Preis der strengsten Methodik und des
    fruchtbaren Leidens an der gestalteten Form? War anders Einheit
    möglich, und gab es nicht rings eine Welt, die jeglicher
    Transformation widerstand?
    War es so leicht, sich wirklich zu wandeln und die Gebundenheiten,
    die schmerzlichen Affekte abzutun; sich zu befreien vom Fluß der
    Gestalten und Leidenschaften? War das nicht ein Verzicht auf
    jegliches Tun und Handeln, selbst auf das edelste? War das nicht,
    wenn es wie bei den Buddhisten in völliger Konsequenz gelebt
    wurde, ein Verzicht auf die »Welt«; ein Nihilismus, wie unsere Zeit
    zu sagen beliebt, ein Aufgehen in der Illusion? Im Gedichte konnte
    man sich wandeln, und viele wandelten sich so. In der Tiefe aber saß
    festgerannt, unerfaßbar und geängstigt jenes gewisse Etwas, jenes
    schmerzempfindliche Wesen, das man Seele nennt, und sehnte sich
    und klagte und weinte, wenn man ihm nicht zu Willen war, wenn
    man es loslösen wollte.
    Und es ergab sich, daß die liebe Seele, weil es die Seele eines
    Dichters, eines Poeten war, tiefer und geheimnisvoller gefesselt sei,
    als sich aussprechen ließ. Es ergab sich, daß es Täuschungen waren,
    wenn man sie befreit, wenn man die Triebkraft selbst gepackt und
    zerschmettert, das innerste Wesen gewandelt glaubte. Versuchte
    man etwa den Sinnen mehr Raum zu lassen, so war diese
    Überbetonung verdächtig, und der beobachtende Geist sprach den
    Extravaganzen Hohn. Und wandte man sich dem Geiste, der
    strengeren Sublimierung zu, so geriet man in die Gefahr, den Boden
    zu verlieren; geriet mit dem hohnsprechenden Dämon in Konflikt und
    obendrein mit der Umwelt, die auf seiner Seite stand. Das
    eingesenkte Maß war schwer zu überschreiten. Versuchte man sich
    selbst zu erfassen, wie im »Demian«, so trat der Gegensatz zur
    Gesellschaft gefährlich hervor. Versuchte man sich gehen zu lassen,
    wie im »Klingsor«, so fühlte man sich raschestens seekrank und

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    elend. Das Lächeln des Gekreuzigten oder der christliche Buddha: im
    Gedichte schienen sie möglich; im Leben widersprach dem Weh die
    Sehnsucht nach Glück und dem Glücke der Hohn aller Geistigkeit.
    Eine Entdeckung aber, die wichtigste, die der Dichter machen
    konnte, war diese: es gab in seinem bisherigen Leben und Tun einen
    gewissen Rhythmus des Gegensatzes, der alle anderen Gegensätze
    einschloß und vielleicht begründete. Perioden von leidenschaftlichem
    Ausbruch wechselten mit solchen eines ängstlichen Bedachtseins auf
    Ruhe, Milde, Heilung, Stille. Räume voll Wahn und zerreißender
    Musik wurden abgelenkt und erschöpft von einem nüchternen,
    begütigenden Willen zur Natur. Die Ausbrüche waren, wenn man
    ihnen nachging, nicht von ungefähr. Es hatte dazu gewisser
    Herausforderungen und Mißhandlungen bedurft, an denen es in den
    betreffenden Zeitabschnitten nicht fehlte. Sie sammelten sich im
    verschwiegenen,
    geduldigen
    Seelengrunde
    an,
    führten
    zu
    gefährlichen Stauungen, die abgestoßen werden mußten, wenn die
    zartere, mildere, frömmere Wesensart sich sollte noch regen können.
    Schon in »Kinderseele« wurde das empfunden und das Entstehen
    solcher Stauung aufgezeigt. Gaienhofen und der Tessin erschienen
    jetzt, im Großen gesehen, als wahre Kuraufenthalte inmitten eines
    Lebens, dem es an böse flackernden Eindrücken nicht gefehlt hatte.
    In den »Gedichten des Malers« (1920) heißt ein charakteristisches
    Stück »Gestutzte Eiche«. Da liest man und beginnt zu verstehen:
    Wie haben sie dich, Baum, verschnitten,
    Wie stehst du fremd und sonderbar!
    Wie hast du hundertmal gelitten,
    Bis nichts in dir als Trotz und Wille war!
    Ich bin wie du, mit dem verschnittnen,
    Gequälten Leben brech ich nicht
    Und tauche täglich aus durchlittnen
    Roheiten neu die Stirn ans Licht.
    Was in mir weich und zart gewesen,
    Hat mir die Welt zu Tod gehöhnt,
    Doch unzerstörbar ist mein Wesen,

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    Ich
    bin
    zufrieden,
    bin
    versöhnt.
    Geduldig
    neue
    Blätter
    treib
    ich
    Aus
    Ästen,
    hundertmal
    zerspellt,
    Und allem Weh zum Trotze bleib
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