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Hercule Poirots Weihnachten

Hercule Poirots Weihnachten

Titel: Hercule Poirots Weihnachten
Autoren: Agatha Christie
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ich machte mich daran, alles andere zu vergessen und nur diese drei Fragen, unabhängig von allem anderen, eingehend zu studieren. Ein Kampf. Was bedeutet das? Gewaltanwendung, Lärm, Krachen und Splittern. Der Schlüssel? Warum dreht man einen Schlüssel um? Damit niemand einen Raum betreten kann. Aber schließlich konnte die Tür ja aufgebrochen werden. Um jemanden einzusperren? Um jemanden auszusperren? Ein Stückchen Gummi aus einer Toilettentasche? Nein, das ist eben ein Stückchen Gummi, weiter nichts.
    Also hat er nichts finden können! werden Sie jetzt denken. Aber das stimmt nur bedingt, denn zurück blieben drei Empfindungen: Lärm – abgeschlossene Tür – Nichts…
    Wie passen nun diese Empfindungen zu meinen möglichen Mördern? Überhaupt nicht! Denn beiden, Alfred und Hilda Lee, müsste an einem geräuschlosen Mord unendlich viel gelegen haben, und Zeit, um einen Schlüssel mühsam von außen im Schloss zu drehen, hätten sie bestimmt beide nicht verschwendet. Das kleine Stück Gummi bedeutete hier, wie bei allen früheren Überlegungen, nichts, überhaupt nichts!
    Und trotzdem hatte ich das Gefühl, dass bei diesem Mord nichts zufällig oder dumm sein könne, dass im Gegenteil alles sehr genau geplant und mit großem Erfolg durchgeführt worden war. Also musste jede Einzelheit bedeutungsvoll sein.
    Und plötzlich begann etwas in mir zu dämmern…
    Blut! – So viel Blut – frisches, feuchtes, glänzendes Blut. Zu viel Blut!
    Ein zweiter Gedanke kam auf: Blutgericht – ein Gericht des Blutes. Simeon Lees eigenes Blut stand gegen ihn auf…»
    Hercule Poirot beugte sich vor.
    «Die beiden wertvollsten Anhaltspunkte in diesem Fall kamen von zwei verschiedenen Personen, die sie ganz unbewusst äußerten. Den ersten gab mir Mrs Alfred Lee, als sie einen Vers aus Macbeth zitierte: ›Wer konnte denken, dass der alte Mann noch so viel Blut in sich gehabt?‹ Und dann sagte Tressilian etwas Bedeutungsvolles. Er schilderte mir, wie benommen ihm immer zumute sei und dass alles sich zweimal abzuspielen scheine. Dieses Gefühl hatte er bekommen, als er am Tag vor dem Mord Harry Lee die Haustür öffnete und kurz danach Stephen Farr. Sehen Sie Harry Lee an, sehen Sie Stephen Farr an, und Sie werden erkennen, dass sich die beiden erstaunlich ähnlich sehen! Deshalb kam es Tressilian vor, als erlebte er die gleiche Situation zum zweiten Mal. Es hätte ja auch wirklich fast der gleiche Mann draußen stehen können. Tressilian klagte, dass er beginne, die Leute zu verwechseln. Kein Wunder! Stephen Farr hat eine schmale Nase, er pflegt den Kopf zurückzuwerfen, wenn er lacht, und er streicht sich oft mit dem Zeigefinger übers Kinn. Sehen Sie sich das Jugendporträt von Simeon Lee genau an, und Sie werden nicht nur Harry Lee, sondern auch Stephen Farr wieder finden…»
    Stephen Farr bewegte sich. Sein Stuhl knarrte.
    «Erinnern Sie sich an den Ausbruch von Simeon Lee», fuhr Poirot fort, «als er seine Familie beschimpfte? Damals sagte er, dass er schwören könnte, bessere Söhne zu haben, auch wenn sie vielleicht nicht im rechten Ehebett geboren worden seien. Und damit kommen wir wieder zu Simeon Lees Charakter zurück! Simeon Lee, der Frauenheld, der seiner Frau das Herz brach! Simeon Lee, der sich seiner Enkelin gegenüber damit brüstete, eine Leibgarde von fast gleichaltrigen Söhnen aufstellen zu können. Daraus schloss ich Folgendes: Simeon Lee hatte nicht nur seine Familie um sich versammelt, sondern es befand sich unerkannt und nicht anerkannt noch ein Sohn von seinem Blut hier.»
    Stephen stand auf. Poirot wandte sich ihm zu.
    «Deshalb sind Sie hierher gekommen, nicht wahr? Nicht um des hübschen Mädchens willen, das Sie im Zug kennen lernten. Sie waren auf der Reise hierher, bevor Sie sie trafen. Sie wollten wissen, was Ihr Vater für ein Mensch sei.»
    Stephen Farr sprach mit gebrochener, heiserer Stimme.
    «Ja… Mutter sprach manchmal von ihm. Ich war besessen von dem Wunsch, ihn einmal zu sehen. Als ich mir etwas Geld verdient hatte, fuhr ich nach England. Er sollte nicht wissen, wer ich bin, deshalb gab ich vor, Ebs Sohn zu sein. Ich bin nur hierher gekommen, um den Mann kennen zu lernen, der mein Vater war…»
    Inspektor Sugden sagte fast flüsternd: «Herrgott, ich muss blind gewesen sein! Jetzt sehe ich es ganz deutlich! Zweimal habe ich Sie mit Mr Harry Lee verwechselt und nichts gemerkt.»
    Er drehte sich nach Pilar um.
    «Also das war es! Sie haben Stephen Farr an der Tür zum Mordzimmer
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