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Herbstfraß

Herbstfraß

Titel: Herbstfraß
Autoren: Sandra Busch
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für Sachen?“
    „Lass mich nicht alleine“, flehe ich ihn verzweifelt an und sinke in seine Umarmung. Das Gesicht vergrabe ich an seiner Brust und atme tief seinen vertrauten Geruch ein.
    „Besteht nicht die Möglichkeit uns gemeinsam in ein Zweibettzimmer zu verlegen?“, höre ich Bo fragen.
    „Es ist keines mehr frei und mit zwei Betten in dem Einzelzimmer wird es zu eng.“ Das ist die erste Krankenschwester. Sie klingt ungeduldig. Es tut mir ja auch leid, dass ich für Unannehmlichkeiten sorge …
    „Dann hoffe ich, dass Sie einen Arzt parat haben, falls Robin gleich zusammenbricht und hysterisch wird. Sie können sich nicht vorstellen, was er hinter sich hat.“
    „Wenn wir einen der Nachttische rausnehmen, wird es bestimmt gehen.“ Das ist die Nette, die Rothaarige. Schritte entfernen sich eilig und wenig später werden Möbel geschoben und verrückt.
    „Bo?“
    Wir kauern weiterhin am Boden.
    „Ja?“
    „Ich benehme mich albern, nicht wahr?“
    „Nein, Dot, überhaupt nicht. Ich kann dich gut verstehen.“
    „Du trägst einen Schlafanzug.“
    Bo lacht leise. „Wir sind in einem Krankenhaus. Ich fürchte, da kann ich nicht nackt herumlaufen.“
    „Das ist meiner.“
    „Einen Eigenen besitze ich doch nicht.“
    „Ich habe dich bisher nie in einem Schlafanzug gesehen. Er ist dir zu eng.“
    „Er spannt an den Schultern, das stimmt. Und etwas kurz ist er auch.“
    „Ich habe dich lieb, Bo.“
    Er küsst mich. Das ist Antwort genug.
    „Herr Berger?“ Die Rothaarige ist zurück. „Ihr Bett steht bereit. Wollen Sie nun versuchen, ein bisschen zu schlafen?“
    Als ich nicke, zieht sie mich zusammen mit Bo auf die Füße.
Ich stöhne. „Mir tut alles weh.“
    Gemeinsam schleppen sie mich in Bos Zimmer. Es ist wirklich eng geworden, allerdings juckt mich das überhaupt nicht. Lediglich die Nähe zu meinem Tweety ist mir wichtig.
    „Möchten Sie eine Schlaftablette haben?“
    Sie ist nett, die Schwester … Ich schaue auf ihr Namensschild am Kittel. Ulrike, heißt sie.
    „Das wäre nicht schlecht, Schwester Ulrike. Danke.“
    „Ulli reicht“, sagt sie und lächelt.
     
     
    23:06 Uhr
    Nachdem ich die Toilette in unserem Zimmer benutzt habe, betrachte ich mich im Spiegel. Meine Lippen sind verkrustet, die Stirn ist schwarz-blau verfärbt und geschwollen. Ein breites Pflaster verbirgt die schmerzende Schnittwunde auf der Wange. Mein Hals ist mit weiteren Schnitten übersät. Den Rücken traue ich mich gar nicht anzusehen. Als ich mich daran erinnere, wie Nolte über einen der Schnitte geleckt hat, wird mir schlecht.
    „Er hat dich ganz schön durch die Mangel gedreht.“ Bo steht in der Tür und beobachtet mich. Seine Hände werden von zarten Mullbinden bedeckt und erst in diesem Moment geht mir auf, dass sich Bo mit der verdammten Rasierklinge böse hätte verletzen können, um mir aus der Klemme zu helfen. Wenn er sich bei seinem Befreiungsversuch die Sehnen zerschnitten hätte … Zum Glück ist das nicht passiert, allein der Gedanke daran verursacht mir erneut weiche Knie.
    „Komm ins Bett, Dot. Du musst endlich schlafen. Hast du die Schlaftablette genommen?“
    Ich nicke, humple aus der Kabine und steige umständlich in das Bett.
    „Können wir das Licht anlassen?“, frage ich.
    „Okay, kein Problem.“ Bo krabbelt ebenfalls unter seine Decke. Und wieder starre ich auf seine verbundenen Hände. Mir ist, als müsste ich mich an eine wichtige Sache erinnern. An etwas Wichtiges, was mir bisher entgangen ist. Und es hat mit meinem Tweety zu tun. Das Schlafmittel beginnt zu wirken. Ich werde langsam dösig. Trotzdem arbeiten meine Gedanken noch krampfhaft, kreisen ständig um die Rasierklinge, die P8 und Rambo, der mit einem gezielten Kopfschuss hingerichtet worden ist. Und dann erinnere ich mich an das metallische Gefühl auf meinem Rücken, nachdem der erlösende Schuss gefallen war.
    „Du?“, flüstere ich fassungslos und sehe in Bos unvergleichliche Augen. „Du hast geschossen?“
    Er weiß sofort, was ich meine.
    „Oh Gott, Dot! Ich konnte unmöglich zulassen, dass er dich umbringt.“ Bo klingt mit einem Mal ein wenig erstickt.
    Neue Tränen steigen in mir auf. Mein Mann hat wegen mir einen Menschen erschossen ... Mir fehlen die Worte, um auszudrücken, was ich für Bo empfinde. Also rutsche ich zu ihm herüber und küsse ihn mit aller Leidenschaft zu derer ich fähig bin und die meine wunden Lippen hergeben. Mein Tweety wird mich auch so verstehen.

Montag, 15. November
    14:17
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