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Herbstfeuer

Herbstfeuer

Titel: Herbstfeuer
Autoren: Lisa Kleypas
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Kaffee.“
    Überrascht schüttelte er den Kopf und räumte ein: „Sie verfügen über eine echte Gabe, Miss Bowman.“
    Achselzuckend erwiderte Lillian ungerührt. „Ich fürchte, diese Gabe ist bei der Suche nach einem Ehemann wenig hilfreich. Es ist ein nutzloses Talent. Bestimmt würde es mir mehr helfen, eine schöne Stimme zu besitzen oder außerordentliche Schönheit. Wie meine Mutter immer zu sagen pflegt – es ist unschicklich, wenn eine Dame gern an Dingen riecht.“
    „Nicht in meinem Laden“, erwiderte Nettle.
    Sie fuhren fort, über Düfte zu sprechen, so wie andere Leute sich über Kunstwerke unterhielten, die sie im Museum bewundert hatten: der süße, schwere, lebendige Duft eines Waldes nach ein paar Regentagen, der herbfrische Geruch des Meeres, der schwere Duft von Trüffeln, die klare, beißende Luft eines schneereichen Tages. Rasch verlor Daisy das Interesse und schlenderte zu den Regalen mit den Kosmetika, öffnete einen Krug mit Puder, von dem sie niesen musste, und wählte dann ein paar Pastillen aus, die sie geräuschvoll kaute.
    Im Verlauf des Gesprächs erfuhr Nettle, dass der Vater der Mädchen in New York ein Unternehmen besaß, das Düfte und Seifen herstellte. Von gelegentlichen Besuchen der Labors und Fabriken der Firma her verfügte Lillian über rudimentäre Kenntnisse von Düften und ihren Zusammensetzungen. Einmal hatte sie sogar geholfen, das Aroma einer Seife zu entwickeln. Sie besaß keinerlei Ausbildung, aber offensichtlich war sie ein Naturtalent.
    Dennoch würden ihre Fähigkeiten aufgrund ihres Geschlechts unentwickelt bleiben.
    „Miss Bowman“, sagte er schließlich, „ich besitze eine Essenz, die ich Ihnen zeigen möchte. Hätten Sie wohl die Freundlichkeit, hier zu warten, während ich hinten im Laden …?“
    Lillian, deren Neugier geweckt war, nickte und stützte die Ellenbogen auf die Ladentheke, während Nettle hinter einem Vorhang verschwand, der den vorderen Bereich vom Lagerraum trennte. Der Raum war angefüllt mit Stapeln von Formularen, Schränken mit Destillationen, Extrakten und Tinkturen sowie Regalen mit Utensilien wie Trichtern, Flaschen und Messbechern – alles, was er für seinen Beruf brauchte. Auf dem obersten Regal standen, in Leinen gebunden, alte keltische und griechische Texte über die Kunst der Parfümerie. Ein guter Parfümeur war zu einem Drittel Alchemist, zu einem weiteren Künstler und zum letzten ein Zauberer.
    Nettle stieg auf einen hölzernen Tritt und holte vom obersten Regalbrett eine kleine Holzkiste herunter. Damit kehrte er zurück in den Laden und stellte die Schachtel auf die Theke. Beide Bowman-Schwestern sahen aufmerksam zu, wie er den winzigen Messingverschluss öffnete und eine kleine, versiegelte Flasche sichtbar wurde. Diese halbe Unze fast farbloser Flüssigkeit war die kostbarste Essenz, die Nettle jemals hergestellt hatte.
    Er brach das Siegel der Flasche, ließ einen kostbaren Tropfen auf ein Tuch fallen und reichte es Lillian. Der erste Eindruck war leicht und mild, beinahe harmlos. Aber als er weiter die Nase hinaufstieg, wurde der Duft unerwartet intensiv, und lange nachdem die Kopfnote verflogen war, blieb eine gewisse Süße zurück.
    Über den Rand des Tuchs hinweg sah Lillian ihn an. „Was ist das?“
    „Eine seltene Orchidee, die nur in der Nacht duftet“, entgegnete Nettle. „Die Blütenblätter sind reinweiß und viel zarter als Jasmin. Durch Erhitzen lässt sich die Essenz nicht gewinnen – die Blüten sind zu empfindlich.“
    Noch einmal atmete sie den exquisiten Duft ein. „Wie heißt diese Orchidee?“
    „Königin der Nacht.“
    Daisy lachte entzückt. „Das klingt wie der Titel von einem der Romane, die zu lesen meine Mutter mir verboten hat.“
    „Ich empfehle den Duft dieser Orchidee anstelle des Lavendels in Ihrer Formel“, sagte Nettle. „Vielleicht ist es teurer, aber meiner Meinung nach wäre es die perfekte Basisnote, vor allem, wenn Sie Ambra als Fixativ einsetzen wollen.“
    „Wie viel teurer?“, fragte Lillian, und als er ihr den Preis nannte, machte sie große Augen. „Gütiger Himmel, das ist mehr, als würde man es in Gold aufwiegen.“
    Mit großer Geste hielt Nettle die Flasche gegen das Licht, wo die Flüssigkeit nun schimmerte und glitzerte wie ein Diamant. „Magie ist nicht eben preiswert, fürchte ich.“
    Lillian lachte, obwohl sie die Flasche fasziniert betrachtete. „Magie!“, wiederholte sie ein wenig spöttisch.
    „Dieses Parfüm wird für Magie
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