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Herbst - Zerfall

Herbst - Zerfall

Titel: Herbst - Zerfall
Autoren: David Moody
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gefunden hatte. »Du hast mich verdammt noch mal zurückgelassen!«
    Lorna, die auf einem abgenutzten Sofa in einer Ecke des Raumes saß, hob die Augen kaum von ihrer Zeitschrift. Anita knurrte ihm zu, den Mund zu halten.
    »Ja«, murmelte Lorna, deren Stimme es an jeglicher Aufrichtigkeit mangelte, »tut mir wirklich Leid, Webb.«
    »Du blöde Schlampe!«, setzte er fort und war durch ihren offensichtlichen Mangel an Besorgnis noch ärgerlicher. »Ich hätte getötet werden können.«
    »Was für eine Vorstellung.«
    »Ist dir nicht einmal aufgefallen,dass ich nicht da war? Hast du nicht mitbekommen, dass der Sitz neben dir leer geblieben ist?«
    Lorna seufzte und ließ ihre Zeitschrift sinken.
    »Entschuldigung, Webb«, sagte sie, nun mit übertrieben ehrlicher Stimme, »um die Wahrheit zu sagen, ich habe bemerkt, dass du es nicht zurückgeschafft hast. Das Problem bestand darin, dass ich versucht habe, mit einem Lastwagen voller Benzinkanister durch eine Horde toter Körper zu fahren. Ich konnte entweder umdrehen, um dich einzusammeln und dabei riskieren, ins Jenseits befördert zu werden oder einfach weiterfahren. Wir haben es beide geschafft, in einem Stück nach Hause zu kommen, oder? Ich würde sagen, ich habe die richtige Entscheidung getroffen ...«
    »Du Miststück«, spie er aus. »Du würdest nicht so eingebildet sein, wenn du zurückgelassen worden wärst. Wenn ich im Laster gewesen wäre ...«
    »Dazu sind zwei Dinge zu sagen«, unterbrach sie ihn und wies anklagend mit dem Finger auf ihn. »Erstens, ich hätte nicht auf der Suche nach Kippen herumgelungert, wenn mir eine Aufgabe aufgetragen wäre und zweitens kannst du nicht fahren.«
    »Du musst das ständig zur Sprache bringen, oder? Du glaubst, ich hätte ein Problem, weil ich ...«
    »Nein, du hast das Problem. Es wäre mir völlig gleichgültig, wenn du zwei Autos gleichzeitig fahren könntest. Ich denke nur ...«
    »Würdet ihr beide bitte Ruhe geben?«, forderte Caron, als sie den Raum mit einem Stapel kürzlich erbeuteter Kleidung betrat. »Verdammt noch mal, schaut aus dem Fenster, ja? Die ganze Welt ist tot und alles was euch beiden einfällt, ist miteinander zu streiten.«
    »Wir müssen da nicht raussehen, Caron«, seufzte Lorna, »wir waren gerade im Freien, erinnerst du dich? Ich bin überrascht, dass du uns nicht gesehen hast, wenn du doch die Zeit hattest, aus dem Fenster zu sehen.«
    »Und wir sind alle sehr dankbar«, erwiderte Caron ruhig und verbat es sich selbst, wieder in dieselbe sinnlose Auseinandersetzung, die regelmäßig stattfand, verwickelt zu werden. »Danke, ihr beiden. Und jetzt hört bitte auf zu streiten und versucht, miteinander auszukommen.«
    »Ja, Mum«, murmelte Webb taktlos. Caron war bis vor etwa einem Monat eine Mutter gewesen. Bis zu dem Tag, an dem sie eine Stunde lang versucht hatte, ihren siebzehn Jahre alten Sohn Matthew wiederzubeleben und dabei den Umstand nicht bemerkte, dass der Rest der Welt tot vor ihrer Vordertür lag. Trotzdem, dachte er sich, zumindest kann Caron mit den Geschehnissen umgehen. Das ist mehr, als man über einige von ihnen sagen kann. Er blickte zu Ellie hinüber, die in einem Lehnstuhl hinter der Tür saß, durch die er gerade eingetreten war. Sie wiegte eine Puppe aus Kunststoff als Ersatz für ihre sieben Monate alte Tochter, die am ersten Morgen des Albtraums in ihren Armen gestorben war. Jeder wusste, dass es nicht richtig war, doch niemand sagte etwas. Schau sie dir jetzt an, wie sie mit dem verdammten Ding spricht, überprüft, ob ihm warm genug ist und ihm Küsse auf die kalten Plastikwangen pflanzt. Verfluchte Irre.
    Caron kippte den Kleiderstapel über die Armlehne des Sofas und starrte aus dem Fenster. Diese Wohnung war eine der wenigen im Block, die immer noch vollverglast war. Die meisten der anderen waren entweder von Vandalen eingeschlagen oder in den Wochen vor der Infektion zugenagelt worden. Sie konnte immer noch nicht glauben, dass sie hier gelandet war. Bevor die Welt auseinandergefallen war, war sie unzählige Male an diesen Wohnungen vorbeigefahren und diese hatten sich ihr stets als der letzte Ort des Planeten, an dem sie sich wiederfinden wollte, dargestellt. Die drei grotesken Betonbauten hatten die hiesige Landschaft jahrelang sowohl beherrscht wie auch verdorben. Die altmodischen, zweiflügeligen Gebäude hatten einst buchstäblich Hunderte unterprivilegierter Familien beherbergt. Vor über einem Jahr hatte die Wohnbaubehörde letztendlich den Entschluss
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