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Herbst - Zerfall

Herbst - Zerfall

Titel: Herbst - Zerfall
Autoren: David Moody
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wieder wie ein Mensch zu kleiden. Während der langen, einsamen Tage in der Wohnung hatte er Gewänder getragen, die er sich aus Geschäften in Bromwell geholt hatte. Wenn etwas schmutzig wurde, warf er es weg. Nur wenn er einen längeren Aufenthalt draußen plante, griff er wieder auf die festen Stiefel und Überhosen zurück, die Webb, Hollis und die anderen bevorzugt hatten.
    Als er auf die Straße und den halb gefrorenen Matsch einst menschlichen Gewebes hinabsprang, war er dankbar für den Schutz. Eine Kartonmaske, die er über Mund und Nase trug, half wenig, um den grauenhaften Gestank zu lindern. Seine Verunsicherung wuchs, als seine Füße in fast einem halben Meter zähflüssigem Verfall versanken. Er hasste es, durch dieses Zeug zu waten. Sean wusste, dass es töricht war, dennoch gelang es ihm nicht, die Vorstellung abzuschütteln, etwas könnte unter der Oberfläche überlebt haben und nur darauf lauern, ihn zu packen und hinabzuziehen. Vielleicht ein tadellos erhaltener Leichnam, der zufällig unter den zerfallenen Überresten von Hunderten anderen vergraben worden war.
    Die Oberfläche des fast vollständig verflüssigten Matsches überzog eine dünne Eisschicht. Abgesehen von dem abwechselnden Knirschen auf dem Eis und den Schmatzgeräuschen im weicheren Schlamm herrschte eine unnatürliche Stille. Sean konzentrierte sich darauf, das Gebäude vor ihm zu erreichen.
    »Ist jemand hier?«
    Seans Stimme hallte unangenehm laut durch das Innere des Hotels. Nach dem Erreichen des Haupteingangs musste er sich erst an dem Schreibtisch, der Couch und anderen Möbelstücken vorbeikämpfen, die gegen die Tür gestapelt worden waren. Seine bereits geringen Erwartungen sanken weiter, als er durch das stille Bauwerk lief. Hier erwies sich der Brei auf dem Boden als dünner, dennoch gestaltete er das Gehen tückisch, und er verdeutlichte, dass die Leichen das Hotel überrannt hatten. War es den anderen gelungen, sich abzusetzen, bevor ihre Zuflucht gestürmt worden war?
    Die Treppen an der Rezeption und im Westflügel hatten sich als unpassierbar erwiesen und waren eindeutig von oben blockiert worden. Mit plötzlich frischem Optimismus rannte er den Flur entlang und stellte fest, dass die Treppe am gegenüberliegenden Ende des Traktes auf ähnliche Weise gesichert worden war. Konnte sich oben noch jemand aufhalten?
    Sean setzte den Weg durch das Hotel über den schmalen, mit Schleim gefüllten Korridor fort, der zum Swimmingpool führte. Die Glastüren und einige der Fenster um den Beckenbereich waren geborsten, zweifellos durch den Druck der gewaltigen einmarschierenden Armee der Leichen, die hier unverkennbar gewütet hatte.
    Der Swimmingpool selbst bildete ein groteskes Mittelstück; in ihm türmten sich Leichen, die in das abgestandene Wasser gefallen waren und es nicht mehr heraus geschafft hatten.
    Sean arbeitete sich seitlich entlang des Gebäudes vor und spähte zu den zahlreichen Zimmerfenstern hinauf.
    »Hallo!«, überwand er sich zu rufen. »Hallo! Ist jemand hier?«
    Ihm fiel auf, dass ein Fenster im ersten Stock offen stand. So rasch er konnte, steuerte er darauf zu. Am liebten wäre er gerannt, was er jedoch nicht wagte, weil er fürchtete, er könnte ausrutschen und in dem keimverseuchten Brei verflüssigten Gewebes ringsum landen. Als er sich fast unterhalb des Fensters befand, brüllte er erneut.
    »Hört ihr mich? Ist da jemand?«
    Er erhielt keine Antwort. Sean wollte gerade weitergehen, als er einen Stapel halb versunkener Matratzen auf dem Boden bemerkte. Wer immer den Einmarsch der Toten ins Hotel überlebt hatte, es war denjenigen offenbar gelungen zu flüchten. Abermals starrte er zu dem Fenster hinauf und fragte sich, wer dort gefangen gewesen sein mochte. Webb? Gordon, Caron oder Martin Priest? Reece oder Hollis? Lorna? Jas? Eigentlich spielte es keine Rolle mehr. Sie waren längst verschwunden. Sean kehrte ins Gebäude zurück.
    Als er sich aufmachte, um die Küche und das Restaurant zu durchsuchen, stellte er fest, dass die östlichen Treppen im Gegensatz zu jenem im Westflügel zwar von den zerfallenen Überresten etlicher Leichen übersät, aber durchaus passierbar waren. Abgesehen vom Tropfen verflüssigten Gewebes, das im Inneren des Gebäudes von oben herabsickerte, herrschte im gesamten Osttrakt gespenstische Stille.
    Sean kämpfte sich ins oberste Stockwerk vor. Er ging zwar nicht davon aus, jemanden vorzufinden, dennoch wollte er zumindest nachsehen. Die Logik legte nahe, dass
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