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Herbst - Stadt

Herbst - Stadt

Titel: Herbst - Stadt
Autoren: David Moody
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Seite.
    »Gehen wir«, flüsterte Jack. Er drehte sich um und führte Clare die Treppe hinab, zurück auf die Straße.

4
    Von beinahe dreißig Meter über dem Stadtzentrum aus beobachtete Donna, wie die Welt um sie herum zu verfallen begann.
    Obwohl ihr ununterbrochen übel war und sie sich durchgehend verängstigt und jeden Moment einer Panikattacke nahe fühlte, schaffte sie es irgendwie, einen überraschend hohen Grad an Beherrschung zu wahren. Sie war sogar in der Lage, weiterhin relativ nüchtern und logisch zu agieren. Sie fragte sich, ob es daran liegen mochte, dass sie sich an ihrem gewohnten Arbeitsplatz aufhielt? Sie hatte sich daran gewöhnt, abzuschalten und ihre Gefühle in dieser grauen und beklemmenden Umgebung zu unterdrücken. In der gleichen Weise, in der sie in den letzten paar Wochen und Monaten ihrer Arbeit nachgegangen war, fand sie sich selbst dabei wieder, wie sie die Überreste ihres bisherigen Lebens fortsetzte. Sie wusste mit Bestimmtheit, dass sie, wenn sie sich in ihrem Zuhause mit all seiner Behaglichkeit, Vertrautheit und den damit verbundenen Erinnerungen befinden würde, von ihren Gefühlen überwältigt worden wäre. Hunger und andere, noch elementarere Bedürfnisse hatten sie letztendlich dazu gezwungen, das Schulungszimmer am hinteren Ende der zehnten Etage des Bürokomplexes zu verlassen. Im Büro des Hausmeisters, das im Erdgeschoss lag, hatte sie in einem verschlossenen Schrank, den sie aufbrach, eine Sammlung von Sicherheitslampen und Taschenlampen gefunden. Diese, nahm sie an, waren vermutlich für einen Notfall oder eine während des Abends erfolgende Evakuierung des Gebäudes vorgesehen gewesen. Sie fügte die von unten stammenden Lampen zu der Auswahl von Beleuchtungsausrüstung, die sie bereits gesammelt hatte, hinzu, stellte sie langsam und methodisch in regelmäßigen Abständen in den Fenstern des zehnten Stockwerks auf und schaffte es so, sich durch drei Viertel des Weges rund um das gesamte Gebäude vorzuarbeiten.
    Ihre Tätigkeiten folgten nun einem neuen Ziel.
    Kurz nach sechs Uhr, als das Abendlicht merklich schwand, entzündete sie die Lampen und knipste die Taschenlampen an. Ihr Plan war einfach. Sie wollte zwar verzweifelt andere Überlebende finden, war jedoch zu verängstigt und unsicher, um nach draußen zu gehen und nach ihnen zu suchen. Sie nahm an, dass jeder andere in der Stadt, der überlebt hatte, sich ähnlich fühlte und entschied daher, dass das Sinnvollste, das sie tun konnte, war, den Rest der Welt wissen zu lassen, wo sie sich versteckt hielt. In der ansonsten vollkommenen Dunkelheit der kalten und leblosen Nacht wurde ihr Standort durch die Lichter in den Fenstern des Bürogebäudes einem Leuchtturm gleich erhellt.
    Es funktionierte.
    Paul Castle, Anfang zwanzig und Verkäufer in einem Musikgeschäft, wurde zwar von nagendem Hunger geplagt, war jedoch zu ängstlich, um das Geschäft zu verlassen, in dem er am vergangenen Dienstagmorgen gearbeitet und Kunden wie auch Kollegen unter Höllenqualen hatte sterben sehen. Er hatte den gesamten Laden durchsucht und bis jetzt genügend Kleinigkeiten zu essen und trinken in den Automaten, die rund um das Gebäude verstreut standen, gefunden. Es war ihm die ganze Zeit über bewusst gewesen, dass es unvermeidlich war, nach draußen zu gehen, doch er hatte so lange wie möglich alles Erdenkliche getan, um es zu vermeiden. Nun war ihm klar geworden, dass er keine andere Wahl hatte, als aufzubrechen.
    Paul wartete, bis die Welt in Dunkelheit versank, bevor er sich nach draußen wagte. Er überlegte sich, dass ihm die Dunkelheit einen gewissen Schutz vor den umherziehenden Leichen bot, die er dabei beobachtet hatte, wie sie ziellos auf den verwüsteten Straßen hin und her torkelten. Es war ihm klar, dass sie in ihrer derzeitigen Verfassung eigentlich keine Gefahr für ihn darstellten, doch die zusätzliche Tarnung, die ihm die Dunkelheit der Nacht bot, spendete ihm willkommenen Trost und Beruhigung. Solange er es vermeiden konnte, sich die Tatsache, dass diese unbeholfenen und schwer einschätzbaren Gestalten den größten Teil der zwei Tage, bevor sie wieder auferstanden waren, tot zu seinen Füßen gelegen hatten, ins Gedächtnis zu rufen, war es ihm möglich, seine zerbrechlichen Gefühle im Zaum zu halten. In den Schatten und dem schwachen Licht des frühen Abends war es irgendwie leichter, den hoffnungslosen Zustand, in dem sich der Rest der Welt befand, zu ignorieren. Von der anderen Straßenseite aus
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